Auf der Homepage des BVL sind die Beschlüsse der 88. ALTS-Arbeitstagung veröffentlicht worden. Die Beschlüsse können hier abgerufen werden.

Der Beschluss 2021/88/02 beschäftigt sich mit der Beurteilung von STEC bzw. VTEC in Mehl und daraus hergestellten Erzeugnissen wie Backmischungen und Frischeteigen. Der ALTS führt hierzu aus, dass STEC/VTEC grundsätzlich geeignet sei, die Gesundheit zu schädigen. Getreidemehl mit Nachweisen von STEC sei daher als nicht sicheres Lebensmittel anzusehen. Zwar sei nach den normalen Bedingungen der Verwendung von Getreidemehl davon auszugehen, dass dieses vor dem Verzehr erhitzt werde. Es sei jedoch nicht auszuschließen und auch nicht unüblich, dass aus Getreidemehl hergestellte Erzeugnisse von Verbrauchern, insbesondere von Kindern, auch roh verzehrt werden.

Verbrauchern sei diese Gefahr bei Getreidemehl und daraus hergestellten Erzeugnissen nicht bekannt, weshalb ein Warnhinweis erforderlich sei, der den Anforderungen von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 genüge. Dieser könnte z. B. „Getreidemehle, Backmischungen und Teige sind nicht zum Rohverzehr bestimmt und müssen stets gut durcherhitzt werden“ lauten. Sei kein entsprechender Warnhinweis auf den Lebensmitteln vorhanden, sei ein derartiges Lebensmittel bei dem Nachweis von STEC als gesundheitsschädlich und damit als nicht sicher einzustufen.

Im Beschluss 2021/88/04 setzt sich der ALTS mit der Zulässigkeit der Angabe „Ich fühle mich wohl“ in direkten Zusammenhang mit der Auslobung „laktosefrei“ auseinander. Insoweit vertritt der ALTS die Auffassung, dass es sich bei der Angabe „Ich fühle mich wohl“ in direktem Zusammenhang mit der Auslobung „laktosefrei“ um eine unspezifische gesundheitsbezogene Angabe gem. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO) handele, die ohne Beifügung einer spezifischen gesundheitsbezogenen Angabe nach Art. 13 HCVO unzulässig ist.

Der Beschluss 2021/88/05 betrifft die Kennzeichnung von Zutaten mit einem Klassennamen und der Wendung „in veränderlichen Gewichtsanteilen“. Hierzu führt der ALTS aus, dass der Klassenname für Obst-, Gemüse- oder Pilzmischungen verwendet werden kann, wenn die Vorgaben nach Anhang VII Teil A Nr. 4 LMIV erfüllt sind. Dies sei der Fall, wenn die Abweichung vom Soll-Gehalt für jede Zutat weniger als 10 % (absolut) betrage. Als Soll-Gehalt erachtet der ALTS dabei den auf alle Komponenten der Mischung rechnerisch gleichverteilten Anteil. Dies bedeutet, dass bspw. bei vier Komponenten der Soll-Gehalt für jede einzelne Komponente bei 25 % liegt. Demnach wäre die Angabe nach Auffassung des ALTS nicht zu beanstanden, wenn der Gehalt einer der Komponenten am Enderzeugnis im Bereich zwischen 15 % und 35 % liegt. Bei mehr als 10 % Abweichung absolut sei es erforderlich, zum Ausschluss systematischer Abweichungen eine Prüfung im Herstellungsbetrieb zu veranlassen. In diesem Rahmen stellt sich die Frage wie dieser Wert ermittelt wurde und ob es überhaupt rechtlich zulässig ist, eine gesetzliche Regelung, die bewusst auf die Festlegung eines bestimmten Schwankungsbereiches verzichtet, nachträglich mit einem fixen Toleranzbereich zu versehen.

Im Beschluss 2021/88/06 stellt der ALTS klar, dass in dem Fall, in dem im Rahmen der Nährwertdeklaration eine zusätzliche Kennzeichnung der Prozentsätze bezogen auf die Referenzmenge erfolge, diese Angabe nicht nur für ausgewählte Einzelwerte der Nährwertdeklaration, sondern grundsätzlich für alle angegebenen Nährwerte erfolgen muss. Entscheidet sich der Lebensmittelunternehmer für eine freiwillige Bezugnahme auf die Referenzmenge, muss diese bei allen in der Nährwerttabelle aufgeführten Nährwertinformationen erfolgen. Die Angabe der Referenzmenge bei lediglich einzelnen Nährwertinformationen, z. B. dem Protein- und/oder dem Kohlehydratgehalt ist hingegen nicht möglich.

Der Beschluss 2021/88/10 setzt sich mit der Bezeichnung von (Pflanzen-)Extrakten auseinander, die zu verschiedenen Zwecken bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden können. Konkret geht es um die Frage, wie bspw. Paprika- und Rosmarinextrakte oder Karottenpulver im Zutatenverzeichnis zu kennzeichnen sind. Diese Produkte können beispielsweise als Lebensmittelzusatzstoffe, Aroma- bzw. Gewürzextrakte oder z. B. auch als färbendes Lebensmittel verwendet werden. Der ALTS führt hierzu aus, dass für die Frage, wie derlei Zutaten im Zutatenverzeichnis zu kennzeichnen sind, auf die konkrete Funktion des Stoffes und die diesbezüglichen besonderen Kennzeichnungsregelungen abzustellen ist.

Würden entsprechende Extrakte bspw. als Farbstoffe oder Antioxidationsmittel (Zusatzstoffe) verwendet, müsse eine Kennzeichnung gem. Anhang VII Teil C LMIV erfolgen. Erfolge hingegen bspw. ein Einsatz als färbendes Lebensmittel, müsse die Wendung „färbendes Lebensmittel“ i. V. m. einer geeigneten Bezeichnung für den Extrakt verwendet werden. Für Extrakte, deren Verwendung sich üblicherweise auf einen einzigen Zweck beschränken, sei eine Erläuterung des Verwendungszwecks als Ergänzung der Bezeichnung nicht notwendig. Als Beispiel hierfür werden Vanilleextrakt oder Hefeextrakt genannt. Sofern Extrakte hingegen für mehrere Zweckbestimmungen verwendet werden könnten, müsse konkret erläutert werden, zu welchem Zweck die Extrakte eingesetzt würden, z. B. zu ernährungsphysiologischen Zwecken oder zu färbenden Zwecken, damit Verbraucher die konkrete Art des Lebensmittels erkennen könnten.

Der Beschluss 2021/88/14 betrifft die Kennzeichnung von Hirschfleisch. Der ALTS erläutert hierzu, dass die Angabe „Hirschfleisch“ im Zutatenverzeichnis nur dann erfolgen könne, wenn es sich um Rothirschfleisch (Rotwild) handele, das als Synonym für die Tierart Rothirsch (Cervus elaphus) verstanden werde. Bei dem Fleisch anderer Hirscharten, z. B. Sikahirsch oder Damhirsch, müsse im Zutatenverzeichnis die Angabe „Damhirschfleisch“, „Elchfleisch“ etc. erfolgen.

In dem Beschluss 2021/88/15 führt der ALTS schließlich aus, dass eine Kombination von Angaben, die die Abwesenheit eines Allergens suggerieren, die jedoch zusätzlich mit Warnhinweisen auf mögliche Kontaminationen mit diesen Allergenen hindeuten, nicht dem Klarheitsgebot gem. Art. 7 Abs. 2 LMIV entsprechen und dementsprechend irreführend sind. Dem Beschluss ist eine Tabelle mit zulässigen und unzulässigen Hinweiskombinationen beigefügt.

Wie immer gilt, dass die Beschlüsse des ALTS rechtlich unverbindlich sind. Sie stellen eine Meinung der Vertreter der Lebensmittelüberwachung dar und können von den Gerichten voll überprüft werden. Nichtsdestotrotz haben die ALTS-Beschlüsse eine enorme praktische Bedeutung. Lebensmittelunternehmer, die sich an die ALTS-Beschlüsse halten, kann nur schwerlich ein Vorwurf sorgfaltswidrigen Handelns gemacht werden.

Soweit von Bedeutung, werden wir die relevanten Beschlüsse in dem diesjährigen Seminar „Aktuelle Fragestellungen zu Fleisch und Fleischerzeugnissen“ besprechen. Dieses ist für Mittwoch, den 23.11.2022 als Onlineveranstaltung geplant.

 

Redaktion: Dr. Clemens Comans