Mit einem Beschluss vom 03.09.2020, der am 16.02.2021 öffentlich bekannt gemacht wurde, hat der BGH entschieden, dass Schwarzwälder Schinken auch dann als solcher bezeichnet werden darf, wenn dieser nicht im Schwarzwald geschnitten wird. Der Volltext der Entscheidung ist hier abrufbar.

Hintergrund

Die Bezeichnung „Schwarzwälder Schinken“ ist seit dem Jahr 1997 als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) eingetragen und genießt daher einen besonderen rechtlichen Schutz. Im Jahr 2005 beantragte der Schutzverband der Schwarzwälder Schinken-Hersteller eine Abänderung der Spezifikation der g.g.A. Danach sollte in die Spezifikation unter anderem eine neue Regelung aufgenommen werden, der zur Folge das gewerbliche Aufschneiden (sog. Slicen) und Verpacken zum Zwecke des Verkaufs als aufgeschnittenes Produkt künftig im Schwarzwald hätte erfolgen müssen, wobei für den Einzelhandel, Gaststätten und Cateringbetriebe Ausnahmen gelten sollten, die Schwarzwälder Schinken aufschneiden und zur alsbaldigen Abgabe verpacken oder lose an den Verbraucher abgeben.

Gegen diesen Änderungsantrag wurden mehrere Einsprüche eingelegt, wobei ein Einspruch von einem Hersteller erhoben wurde, der seinen Schinken zwar im Schwarzwald produziert, diesen aber in Niedersachsen aufschneiden und verpacken ließ.

Das zuständige Deutsche Patent und Markenamt (DPMA) wies diesen Teil des Änderungsantrages im Jahr 2008 zurück. In der Folgeinstanz entschied das Bundespatentgericht im Jahr 2011, dass dem Änderungsantrag stattzugeben sei. Im Rahmen der nachfolgenden Rechtsbeschwerde vor dem BGH im Jahr 2014 wurde die Entscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben und an dieses zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. In dem wiedereröffneten Beschwerdeverfahren im Jahr 2017 setzte das Bundespatentgericht das Verfahren aus und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor, über die der EuGH Ende des Jahres 2018 entschied. Im Anschluss hieran wies das Bundespatentgericht die Beschwerde und damit auch die vom Schutzverband gewünschten Änderungen im August 2019 zurück. Hiergegen legte der Schutzverband Rechtsbeschwerde beim BGH ein, die nunmehr mit der eingangs genannten Entscheidung zurückgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 muss eine g.g.A. einer Produktspezifikation entsprechen, die ihrerseits bestimmten Mindestanforderungen genügen muss. Hierzu gehören gem. Art. 7 Abs. 1 Buchst. e) derselben Verordnung unter anderem auch Angaben über die Aufmachung des Erzeugnisses, wenn die antragstellende Vereinigung dies so festlegt und eine hinreichende produktspezifische Rechtfertigung dafür liefert, warum die Aufmachung in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen muss, um die Qualität zu wahren, den Ursprung oder die Kontrolle zu gewährleisten.

Zu der Aufmachung im vorgenannten Sinn gehört auch die „Herrichtung des Erzeugnisses für den Verkauf“ im weiteren Sinne, also insbesondere auch das Schneiden und Verpacken von Schinken, der in aufgeschnittener Form vertrieben werden soll.

Fraglich war also, ob der Schutzverband eine hinreichende produktspezifische Rechtfertigung für das zwingende Aufschneiden im Schwarzwald darlegen konnte.

Dies verneinte der BGH für alle drei genannten Kriterien (Qualität, Ursprung und Kontrolle).

Entscheidungsgründe

Das Schneiden und Verpacken des Schinkens im Herkunftsgebiet sei nicht zur Sicherung der Qualität, des Ursprungs oder der Kontrolle des Schwarzwälder Schinkens erforderlich.

Eine produktspezifische Rechtfertigung liegt nach den Ausführungen des BGH nur vor, wenn das betreffende Erzeugnis bei einer Verarbeitung außerhalb des Herstellungsgebiets im Vergleich zu anderen Erzeugnissen erhöhten Risiken ausgesetzt ist, denen mit den vorgesehenen Maßnahmen wirksam begegnet werden kann. Insoweit habe das Bundespatentgericht zutreffend angenommen, dass nicht davon auszugehen sei, dass sich ein unsachgemäßer Transport aus dem Schwarzwald in andere Gebiete auf den authentischen Geschmack sowie die authentische Haltbarkeit des Schinkens auswirken könne. Für das Produkt bestünden die gleichen Risiken, wie für alle anderen vergleichbaren Produkte (Schinken), die entweder als g.g.A. oder nicht als g.g.A. vertrieben werden.

Qualität

Das Kriterium der Qualitätssicherung sei ebenfalls nicht gegeben. Die Vorgabe aus dem Änderungsantrag, dass ein Aussortieren nicht spezifikationsgerechter Schinken erfolgen müsse, sei selbstverständlich und die dort vorgesehene maximale Scheibendicke von 1,3 mm eine sinnvolle Maßnahme. Es sei jedoch nicht ersichtlich, wozu es hierfür einer Gebietsbegrenzung für das Schneiden bedürfe. Dies gelte im Übrigen für die in der Spezifikation vorgesehene Aromapackung bei Packungen mit einer Haltbarkeit von mehr als 30 Tagen, bei der es sich um eine technisch ohnehin notwendige Maßnahme handele. Auch die vorgesehene bakteriologische Betriebsüberwachung betreffe keine produktspezifischen Risiken, sondern lediglich solche, die für alle Produkte gelten würden.

Die in der Änderung zur Spezifikation vorgesehenen Vorgaben für das Schneiden und Verpacken könnten nach den getroffenen Feststellungen auch außerhalb des Herstellungsgebietes vorgenommen werden, ohne dass damit im Vergleich zu einer Vornahme innerhalb des Herstellungsgebiets höhere Risiken für die Qualität des unter die g.g.A. fallenden Produktes verbunden seien.

Ursprung

Das Erfordernis des Schneidens und Verpackens im Herkunftsgebiet sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Ursprungsgarantie und der Rückverfolgbarkeit gerechtfertigt. Zur Begründung führt der BGH aus, dass in dem Verfahren lediglich behauptet, jedoch nicht nachgewiesen worden sei, dass das Schneiden und Verpacken des Schwarzwälder Schinkens im Herstellungsgebiet erforderlich sei, um den Ursprung des Erzeugnisses zu gewährleisten. Die beantragten Änderungen der Spezifikation enthielten keine produktbezogenen Vorgaben, die das Problem lösen sollen, dass ein geschnittenes Enderzeugnis schwerer zu identifizieren sei als ein Schinken im ungeschnittenen Zustand.

Kontrolle

Ein Aufschneiden und Verpacken könne schließlich auch nicht auf den Aspekt der Kontrolleffizienz gestützt werden. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn das Erfordernis dem Ziel diene, eine wirksame Kontrolle der Spezifikation für die g.g.A. zu gewährleisten. Hierbei muss es sich nach der geltenden EuGH-Rechtsprechung um Kontrollen handeln, die außerhalb des Erzeugungsgebietes weniger Garantien für die Qualität und Echtheit des besagten Erzeugnisses geben als Kontrollen, die im Erzeugungsgebiet unter Einhaltung der in der Spezifikation vorgesehenen Verfahren durchgeführt werden.

Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn die Spezifikation Fachleute mit der eingehenden und systematischen Kontrolle betraue, die über spezielle Kenntnisse der Eigenschaften des betreffenden Erzeugnisses verfügten, und es somit kaum vorstellbar sei, solche Kontrollen in den anderen Mitgliedstaaten wirksam einzurichten. Dies sei hier jedoch nicht anzunehmen, da entsprechende Kontrollen außerhalb des Erzeugungsgebietes nicht weniger Garantien für die Qualität und Echtheit des Schwarzwälder Schinkens böten als Kontrollen im Erzeugungsgebiet. Insoweit enthalte die Spezifikation lediglich die Vorgaben, dass die Scheibendicke auf max. 1,3 mm zu begrenzen sei und obligatorische Zwischenreinigungen und Desinfektionen erfolgen müssen, wenn auf der Schneideanlage vorher ein naturschimmelbehaftetes Produkt geschnitten werde. Die Scheibendicke könne ohne weiteres auch außerhalb des Herstellungsbetriebes festgestellt werden. Da die Spezifikation im Übrigen keine konkreten Vorgaben dazu enthalte, wie die Kontrollen der Zwischenreinigung und Desinfektion der Schneideanlagen erfolgen müssten, lasse sich nicht feststellen, dass ein Schneiden und Verpacken im Herstellungsgebiet unter dem Gesichtspunkt der Kontrolleffizienz einen produktspezifischen Vorteil zur Qualitätssicherung des Erzeugnisses biete. Schließlich setze auch eine Mengenplausibilitätskontrolle keinerlei produktspezifisches Fachwissen voraus.

Eine erneute Vorlage an den EuGH erachtet der BGH für nicht notwendig.

Abzuwarten bleibt, ob die Angelegenheit damit erledigt ist, oder ob die Angelegenheit im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde dem BVerfG vorgelegt werden wird.