Mit Newsletter Nr. 21/2020 vom 21.10.2020 haben wir bereits über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.10.2020 (Az.: 3 C 10.19) berichtet. Nunmehr liegt die Entscheidung auch im Volltext vor. Die Entscheidung kann hier abgerufen werden.

Inhaltlich geht es um die Frage, ob ein Lebensmittelunternehmer in dem Fall, in dem im Rahmen von Eigenuntersuchungen nach der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 unbefriedigende Ergebnisse in Hinsicht auf Lebensmittelsicherheitskriterien festgestellt werden, zwingend zur Rücknahme der betroffenen Lebensmittel verpflichtet ist oder nicht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr bejaht.

Zum besseren Verständnis der Entscheidung soll nachfolgend noch einmal kurz der Sachverhalt wiedergegeben werden.
 

Sachverhalt: 

Das klagende Lebensmittelunternehmen stellte tiefgefrorene Fleischdrehspieße (Fleischzubereitungen) her. Die rohen Fleischdrehspieße wurden in dem Produktionsbetrieb tiefgefroren und anschließend an Gastronomiebetriebe ausgeliefert. Dort wurden diese erhitzt und beispielsweise als Döner Kebab an Endverbraucher verkauft. Die Fleischdrehspieße trugen bei der Auslieferung den Hinweis „vor dem Verzehr vollständig durchgaren“. Eine direkte Abgabe an Endverbraucher erfolgte nicht, beliefert wurden ausschließlich andere Lebensmittelunternehmer.

Die für den Hersteller der Fleischspieße zuständige Lebensmittelüberwachung bemängelte, dass das HACCP-Konzept der Klägerin keine Rücknahme oder keinen Rückruf vorsah, wenn Lebensmittelsicherheitskriterien nach der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 nicht erfüllt waren. Die Behörde vertrat insoweit die Auffassung, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 eine zwingende Rücknahme der betreffenden Erzeugnisse vom Markt vorsehe. Die Klägerin war wegen des im Gesetz vorgesehenen Verweises auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 der Auffassung, dass aufgrund des Durcherhitzungshinweises auch bei einem positiven Salmonellenbefund im Ergebnis ein sicheres Lebensmittel vorliege und sie daher nicht zu Rücknahme oder Rückruf verpflichtet sei.

Entscheidung:

Nachdem das Verwaltungsgericht Augsburg der Klägerin in erster Instanz noch Recht gegeben hatte, unterlag die Klägerin sowohl in der Berufungsinstanz vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als nunmehr auch in der Revisionsinstanz vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Zur Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass für eine Untersuchung nach der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 grundsätzlich das abgabefertige Lebensmittel heranzuziehen ist. Liefert der Lebensmittelunternehmer das von ihm hergestellte Erzeugnis aus, bevor die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung vorliegen, müsse er bei einer Grenzwertüberschreitung die bereits ausgelieferten Lebensmittel wieder zurücknehmen.

Liefere die Prüfung anhand eines Lebensmittelsicherheitskriteriums unbefriedigende Ergebnisse, sei im Gesetz zwingend die Rücknahme der betroffenen Partie vorgesehen. Eine zusätzliche Prüfung, ob auch Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingehalten sei oder nicht, finde nicht statt.

Der im Wortlaut von Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 vorgesehene Verweis auf Art. 19 der Basisverordnung beziehe sich lediglich auf die Ausformung von einer Rücknahme. Insbesondere sei der Lebensmittelunternehmer danach auch verpflichtet, die zuständige Behörde über die veranlasste Rücknahme zu informieren.

Auch ohne die gesonderte Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 14 der Basisverordnung, insbesondere der normalen Bedingungen der Verwendung und der im Rahmen der Etikettierung vermittelten Sicherheitshinweise, verliere die Regelung, die eine direkte Rücknahme vorsehe, nicht ihren Sinn und Zweck. Im Gegenteil sei es so, dass die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 einen präventiven Ansatz vorsehe, der den allgemeinen Regelungen vorgehe und gerade in der von der Klägerin vertretenen Auslegung ihres Sinn und Zwecks beraubt werde.

Deshalb sei bei der Nichteinhaltung eines Lebensmittelsicherheitskriteriums von einer inakzeptablen Kontamination auszugehen, was zwingend zu einer Rücknahme führe, weil anderenfalls der Schutzzweck der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 konterkariert werde. Nach den Begrifflichkeiten der Methodenlehre könne insoweit also von einem Rechtsfolgenverweis ausgegangen werden. Einer Auslegung als Rechtsgrundverweis, bei der auch die Voraussetzungen von Art. 19 der Basisverordnung vollständig zu prüfen wären, erteilt das Bundesverwaltungsgericht also letztinstanzlich eine Absage.

Bewertung: 

Die Bedeutung der vorliegenden Entscheidung geht weit über den Fleischbereich hinaus. Das Bundesverwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Herstellung und des Vertriebs verpflichtet sind, Untersuchungen nach der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 vorzunehmen. Nunmehr ist gleichfalls klargestellt, dass bei unbefriedigenden Ergebnissen im Sinne der Verordnung eine Rücknahme stattzufinden hat. Deshalb muss die Lehre, die aus der vorliegenden Entscheidung zu ziehen ist, einstweilen lauten, dass bei unbefriedigenden Ergebnissen in Hinsicht auf die Lebensmittelsicherheitskriterien eine Rücknahme der betroffenen Partie zu erfolgen hat, sofern sich diese nicht mehr im unmittelbaren Zugriff des Lebensmittelunternehmers befindet, der die Untersuchung veranlasst hat und die Haltbarkeit noch nicht abgelaufen ist.

Aus dogmatischen Gründen kann die Entscheidung nach wie vor kritisiert werden. Auch dass das Bundesverwaltungsgericht es nicht für erforderlich erachtet hat, die zu klärende Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, verdient Kritik. Gleichwohl ist jedem Lebensmittelunternehmer dringend dazu zu raten, sich mit der dargestellten Entscheidung intensiv auseinanderzusetzen und das Eigenkontrollkonzept unter Berücksichtigung der vom BVerwG aufgezeigten Vorgaben ggf. anzupassen, um Beanstandungen oder Bußgelder zu vermeiden.

 

Redaktion: Sascha Schigulski