Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14.10.2020 (Az.: 3 C 10.19) entschieden, dass ein Lebensmittelhersteller bereits in den Verkehr gebrachte Fleischdrehspieße zurückrufen muss, wenn im Rahmen von Eigenkontrollen festgestellt wird, dass diese mit Salmonellen kontaminiert sind.

Sachverhalt

Das klagende Lebensmittelunternehmen stellt tiefgefrorene Fleischdrehspieße (Fleischzubereitungen) für den Einzelhandel her. Die rohen Fleischdrehspieße werden in dem Produktionsbetrieb tiefgefroren und anschließend an Gastronomiebetriebe ausgeliefert, wo sie erhitzt und portioniert, z. B. als Döner Kebab, an Endverbraucher verkauft werden. Die Fleischdrehspieße tragen bei der Auslieferung den Hinweis „Vor Verzehr vollständig durchgaren!“. Eine direkte Abgabe vom Produktionsbetrieb an Endverbraucher erfolgt nicht.

Nach dem HACCP-Konzept der Klägerin werden vor der Auslieferung stichprobenartig mikrobiologische Eigenkontrollen der Fleischdrehspieße vorgenommen. Für den Fall eines positiven Salmonellenfundes sind unterschiedliche Maßnahmen vorgesehen. Eine zwingende Rücknahme der betroffenen Charge sieht das Konzept des Produzenten jedoch nicht vor.

Nach einer Betriebskontrolle durch die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde beanstandete diese das HACCP-Konzept und verlangte, dass ab sofort bei einem positiven Salmonellenbefund gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 eine Rücknahme des betroffenen Erzeugnisses vom Markt erfolgen müsse. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, dass es sich bei den durchgeführten Untersuchungen lediglich um eine Überprüfung in Hinsicht auf Prozesshygienekriterien handele. Unbefriedigende Untersuchungsergebnisse gäben keinerlei Anlass zur Änderung des Produktionsprozesses und führten nicht zu einem automatischen Rückruf. Das Lebensmittel könne durch einen geeigneten Hinweis, wie dem Hinweis auf das vollständige Durchgaren vor dem Verzehr, sicher gemacht werden.

Verfahrensgang

In erster Instanz entschied das Verwaltungsgericht Augsburg (VG Augsburg, Urteil vom 04.07.2017, Az.: Au 1 K 16.1531), dass das klagende Unternehmen nicht verpflichtet sei, bei jedem Nachweis von Salmonellen zwingend eine Produktrücknahme vorzunehmen bzw. dies im HACCP-Konzept vorzusehen. Dabei ging das Verwaltungsgericht Augsburg davon aus, dass es sich bei Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 um einen Rechtsgrundverweis handele, demzufolge eine Rücknahme bzw. ein Rückruf nur dann erforderlich sei, wenn im Rahmen einer weitergehenden Prüfung die Tatbestandsvoraussetzungen des in der Norm in Bezug genommenen Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 erfüllt sind, also nach einer Sicherheitsbewertung gem. Art. 14 derselben Verordnung von einem nicht sicheren Lebensmittel auszugehen sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht der Fall gewesen, da unter Gastronomen bekannt sei, dass eine normale Verwendung der Fleischdrehspieße deren Durcherhitzung beinhalte und zusätzlich ein Durcherhitzungshinweis angebracht sei. Unter Berücksichtigung der Maßgaben des Art. 14 Abs. 3 Buchst. a) und b) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sei daher von einem sicheren Lebensmittel auszugehen.

In zweiter Instanz entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH München, Urteil vom 07.02.2019, Az.: 20 BV 17.1560) jedoch, dass es sich bei Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 nicht um einen Rechtsgrund-, sondern um einen Rechtsfolgenverweis handele, mit der Folge, dass bei Nichteinhaltung der Lebensmittelsicherheitskriterien automatisch eine Rücknahme erfolgen müsse. Denn der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Lebensmittelsicherheitskriterien eine Spezialregelung für die Einstufung eines Lebensmittels als nicht sicher im Hinblick auf das Vorhandensein pathogener Mikroorganismen getroffen. Liege demnach ein unbefriedigendes Untersuchungsergebnis in Hinsicht auf die Lebensmittelsicherheitskriterien vor, müssten die ausgelieferten Fleischdrehspieße von der Klägerin zurückgenommen werden.

Entscheidung des BVerwG

Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr die Rechtsauffassung des VGH München bestätigt und geht von einer automatischen Pflicht zur Rücknahme aus. Die vollständigen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Pressemitteilung aus, dass sich die Pflichten eines Lebensmittelunternehmers in Bezug auf die Einhaltung von mikrobiologischen Kriterien aus der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 ergeben. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung sehe vor, dass Erzeugnisse oder Partien von Lebensmitteln gemäß Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom Markt zu nehmen seien, wenn die Untersuchung anhand der Lebensmittelsicherheitskriterien unbefriedigende Ergebnisse liefere. Nach den entsprechenden Kriterien des Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 dürfen Salmonellen in Fleischzubereitungen nicht nachweisbar sein. Zur Gewährleistung der Einhaltung der Lebensmittelsicherheit müsse der Hersteller seine Produkte im abgabefertigen Zustand beproben. Ergebe die vorgeschriebene Untersuchung eine unzulässige Kontamination mit Salmonellen, sei die betroffene Partie vom Markt zu nehmen.

Dabei komme es nicht darauf an, ob auch die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 14 und 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 erfüllt seien. Das klagende Unternehmen könne sich auch in Hinsicht auf das Bestehen einer Rücknahmepflicht nicht darauf berufen, dass die Drehspieße vor dem Verzehr des Fleisches durchzugaren seien und auf dieses Erfordernis in der Etikettierung hingewiesen werde.

Die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 enthalte mit ihren mikrobiologischen Lebensmittelsicherheitskriterien eine Spezialregelung, mit der ein präventiver und strengerer Ansatz verfolgt werden solle. Mit dem Verweis auf Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 werde lediglich auf die dort geregelte Ausformung der Pflichten des Lebensmittelunternehmers bei der Marktentnahme des betroffenen Lebensmittels Bezug genommen. Auf eine gesonderte Sicherheitsbewertung komme es daher nicht mehr an.

Anmerkung:

Die Entscheidung ist ein Rückschlag für die Lebensmittelwirtschaft, die eine seit Jahren herrschende Diskussion beendet.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch bereits jetzt als kritisch zu erachten, da mit dieser offenkundig zu Tage tritt, dass in Hinsicht auf die Lebensmittelsicherheitsbewertung mit zweierlei Maß gemessen wird. Denn die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 richtet sich gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung an Lebensmittelunternehmer. Sofern also in einer Fleischzubereitung in Eigenuntersuchungen des Herstellers Salmonellen festgestellt werden, soll es sich nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 um ein nicht sicheres Lebensmittel handeln, da es in Hinsicht auf die Lebensmittelsicherheitsbewertung ausschließlich auf die Frage ankommt, ob die im Anhang I der Verordnung genannten Lebensmittelsicherheitskriterien eingehalten werden. Weitere Umstände, wie diese insbesondere gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zu berücksichtigen sind, sollen in diesem Fall außer Acht bleiben. Die normalen Bedingungen der Verwendung oder Sicherheitshinweise im Rahmen der Etikettierung sind im Falle von Eigenuntersuchungen nach der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 folglich unbeachtlich.

Wenn jedoch die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde eine Probe einer Produktcharge entnimmt und in diesem Rahmen Salmonellen nachgewiesen werden, richtet sich die Lebensmittelsicherheitsbewertung nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, mit der Folge, dass dasselbe Erzeugnis trotz des Salmonellenfundes als sicher anzusehen ist, da es ausschließlich zum Verzehr im durcherhitzten Zustand bestimmt ist und einen Durcherhitzungshinweis trägt. Dabei dürfte unstrittig sein, dass Salmonellen ungeachtet im Rahmen welcher Untersuchung sie festgestellt werden, generell eine Gesundheitsgefahr bergen.

Warum jedoch auch insbesondere unter Berücksichtigung der Kohärenz der lebensmittelrechtlichen Vorgaben zur Lebensmittelsicherheitsbewertung die Feststellung von Salmonellen durch eine Behörde im konkreten Fall zu einem sicheren Lebensmittel führt, jedoch bei Feststellung von Salmonellen im Rahmen der Untersuchung durch Lebensmittelunternehmer ein nicht sicheres Lebensmittel vorliegen soll, ist mit gesundem Menschenverstand sowie unter Berücksichtigung der Kriterien zur Lebensmittelsicherheitsbewertung nicht nachvollziehbar. Lebensmittelunternehmern bleibt daher vorerst nichts Anderes übrig, als sich auf die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts einzustellen und die vollständige Urteilsbegründung abzuwarten. Letztere bedarf einer intensiven Analyse.

 

Redaktion: Dr. Clemens Comans