Am 27.03.2019 hat die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) über ein von ihr gegen einen Lebensmittelonlinehändler erstrittenes Urteil aus dem Jahr 2018 berichtet (KG Berlin, Urteil vom 09.05.2018, Az.: 5 U 152/16).

Die Entscheidung können Sie hier abrufen.

Das Unternehmen bot in seinem Onlineshop verschiedene Lebensmittel zum Verkauf an. Die dazugehörigen Produktinformationen wurden jedoch nicht vollständig auf den Produktseiten in dem Onlineshop wiedergeben. So fehlten bei einigen Produkten auf den Produktseiten beispielsweise die nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) erforderlichen Hinweise auf enthaltene Allergene, den Verzehrzeitraum, die Aufbewahrungsbedingungen oder die Angabe des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers. Anstelle dieser Angaben erfolgte auf den Produktseiten der Hinweis „Für Informationen über Nährwertangaben, Zutaten, Pflichtinformationen gemäß LMIV etc. rufen Sie bitte unsere Hotline an“. Bei der angegebenen Telefonnummer handelte es sich um eine gewöhnliche Telefonnummer mit Ortsvorwahl, bei deren Anwahl in Abhängigkeit von dem zwischen dem Verbraucher und seinem Telefonprovider geschlossenen Telefonvertrag Einzelverbindungsgebühren anfallen konnten.

Die vzbv war der Auffassung, dass die konkrete Form der Angabe der Pflichtinformationen zu den Lebensmitteln sowie der Verweis auf eine (kostenpflichtige) Telefonnummer mit Ortsvorwahl nicht den Vorgaben des Art. 14 LMIV entspricht. Das Unternehmen gab die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab, woraufhin die vzbv vor dem Landgericht Berlin Klage erhob. Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag teilweise stattgegeben. Hieraufhin haben beide Parteien Berufung beim Kammergericht Berlin eingelegt, wobei im Ergebnis lediglich die Berufung der vzbv Erfolg hatte.

Das Kammergericht Berlin führt in seiner Entscheidung aus, dass das Trägermaterial für die Informationsdarstellung vorliegend das Internet sei, so dass die verpflichtenden Informationen über Lebensmittel grundsätzlich auf der jeweiligen Produktseite wiedergegeben werden müssten.

Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 LMIV sehe jedoch vor, dass auch auf andere geeignete Mittel zurückgegriffen werden könne. Dann aber müssten die Informationen bereitgestellt werden, ohne dass der Lebensmittelunternehmer den Verbrauchern zusätzliche Kosten in Rechnung stellt. Letzteres war nach Auffassung des Kammergerichts hier nicht der Fall. Die vom Unternehmen bereitgestellte Telefonhotline sei unstreitig nicht kostenlos gewesen, sondern es konnten Verbindungsentgelte zugunsten des Telekommunikationsunternehmens anfallen. Die anfallenden Telefongebühren seien dem Lebensmittelunternehmer zuzurechnen. Der Erwägungsgrund (27) der LMIV sehe vor, dass der Verbraucher im Onlinehandel genauso informiert werden solle wie beim Erwerb von Lebensmitteln im stationären Handel. Im Präsenzgeschäft könne der Verbraucher die Informationen zu den Lebensmitteln bei Ansicht deren Verpackung im Regal und damit völlig kostenlos erhalten. Unter diesen Umständen könne es keinen Zweifel daran geben, dass der informationsverpflichtete Unternehmer für die Informationen im Fernabsatz nicht nur keine zusätzlichen Kosten in Rechnung stellen dürfe, sondern zusätzliche Kosten auch nicht über vom Unternehmer eingesetzte Dritte (deren Leistungen die Verbraucher notwendig in Anspruch nehmen müssen) anfallen dürfen. Für den Endverbraucher – und nach Sinn und Zweck des Gebots der Kostenlosigkeit – mache es keinen Unterschied, ob der Unternehmer oder die von ihm eingesetzten und vom Verbraucher notwendig in Anspruch zu nehmenden Dritten die Kosten in Rechnung stellten. Wenn der Lebensmittelunternehmer die naheliegende Information über das Internet in seinem Onlineshop nicht vornehme, sei es ohne weiteres zumutbar, dem Verbraucher als alternativen Informationsweg eine kostenlose Telefonhotline anzubieten.

In einem obiter dictum führt das Kammergericht Berlin ergänzend aus, dass auch gegen eine kostenlose Telefonhotline erhebliche Bedenken bestünden, weil der Verbraucher mit unter Umständen längeren Wartezeiten rechnen oder mehrere Anrufe vornehmen müsse, wenn nach einer Auskunft das in Rede stehende Produkt für ihn nicht in Betracht komme und er nach Alternativen suche. Zudem sei je nach Umfang des Einkaufs mit einer längeren Dauer des Telefonats zu rechnen und er müsse dieses Telefonat durch Auflistung einzelner Punkte vorbereiten.

Bewertung der Entscheidung

Die von dem Kammergericht vorgenommene Auslegung von Art. 14 LMIV ist zu kritisieren und leidet an Mängeln.

Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) LMIV lautet:

„Verpflichtende Informationen über Lebensmittel mit Ausnahme der Angaben gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe f müssen vor dem Abschluss des Kaufvertrags verfügbar sein und auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts erscheinen oder durch andere geeignete Mittel, die vom Lebensmittelunternehmer eindeutig anzugeben sind, bereitgestellt werden. Wird auf andere geeignete Mittel zurückgegriffen, so sind die verpflichtenden Informationen über Lebensmittel bereitzustellen, ohne dass der Lebensmittelunternehmer den Verbrauchern zusätzliche Kosten in Rechnung stellt. (Hervorhebungen durch den Verfasser)

Der insoweit eindeutige Wortlaut der Vorschrift sieht, anders als das Kammergericht zum Ausdruck bringt, gerade kein qualitatives Stufenverhältnis der Informationsmedien vor, weshalb es grundsätzlich dem Lebensmittelunternehmer überlassen ist, über welches Medium er die Informationen bereitstellt.

Darüber hinaus ist der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 LMIV unmissverständlich: Bei der Verwendung anderer geeigneter Mittel müssen die Informationen zur Verfügung gestellt werden, ohne dass hierdurch zusätzliche Kosten durch den Lebensmittelunternehmer in Rechnung gestellt werden, z. B. bei der Schaltung einer „0900“-Nummer durch den Lebensmittelunternehmer, deren Gebühren vom Lebensmittelunternehmer vereinnahmt werden. Sofern es sich jedoch, wie im vorliegenden Fall, um eine normale Telefonnummer mit Ortsvorwahl handelt und bei deren Anwahl Gebühren anfallen, werden diese nicht vom Lebensmittelunternehmer, sondern vom Telefonanbieter in Rechnung gestellt, was zulässig ist und keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 LMIV darstellt. Dies hat auch die EU-Kommission als zutreffend erachtet, wie von Schulz/Schulz (ZLR 2015, 121 (128), Anmerkung zu Frage 6) berichtet wird.

Sofern das Kammergericht darauf abstellt, dass das Mittel „Telefon“ unkomfortabel sei bzw. der Verbraucher in weitere Verkaufsgespräche verwickelt werden könne, überzeugt dieses Argument ebenfalls nicht, da derlei Erwägungen keinerlei Anknüpfungspunkte im Wortlaut der Vorschrift des Artikel 14 LMIV oder den hierzu vorliegenden Gesetzgebungsmaterialien haben.

Auch verkennt das Kammergericht, dass jede Fernkommunikationstechnik, handele es sich um SMS, Briefe, Internet, Telefon etc., gebührenpflichtig sind und zwar unabhängig davon, ob es sich um Gebühren für Einzelverbindungen, Flatrates oder Briefmarken handelt, die von unterschiedlichen Stellen, z. B. der Post oder dem Telekommunikationsanbieter, erhoben werden. Wäre die Rechtsauffassung des Kammergerichts zutreffend, dass die normalen Providerkosten dem Lebensmittelunternehmer zuzurechnen sind, müssten die Informationen stets auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäftes angegeben werden, da keine „kostenlosen“ Fernkommunikationsmittel existieren. Eine derart extensive und dem Wortlaut von Art. 14 LMIV widersprechende Auslegung ist jedoch offenkundig vom europäischen Gesetzgeber nicht gewollt gewesen, weshalb er bewusst darauf abstellt, dass der Lebensmittelunternehmer für die Informationsgewährung keine zusätzlichen Kosten in Rechnung stellt.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin ist daher als Einzelfallentscheidung anzusehen und nicht verallgemeinerungsfähig. An dieser Stelle ist auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Schleswig-Holstein (OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22.3.2018, Az.: 2 U 2/17) hinzuweisen, in der die Zulässigkeit der Informationsgewährung per Telefon bejaht wurde. Auch tendiert das OLG Schleswig-Holstein unter Verweis auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 14 LMIV dazu, dass das Entstehen von Telefonkosten zum Ortstarif nicht zu einem Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 LMIV führt.

 

Redaktion: Dr. Clemens Comans