Am 17.01.2019 hat das Landgericht Berlin entschieden, dass ein Onlinelieferdienst seine Kunden vor der Bestellung von Speisen und Getränken über die darin enthaltenen Allergene und Zusatzstoffe informieren muss (LG Berlin, Urteil v. 17.01.2019, Az.: 16 O 304/17).

Der von der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) verklagte Onlinelieferdienst bot Speisen und Getränke von verschiedenen Restaurants auf seiner Onlineplattform an, so auch von einem vietnamesischen Restaurant. Bei einigen Gerichten fehlten die gesetzlich vorgeschriebenen Hinweise auf enthaltene Allergene (z. B. Erdnüsse, Garnelen, Eier etc.) sowie enthaltene Zusatzstoffe. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Onlinelieferdienstes war vorgesehen, dass der Vertragsschluss ausschließlich zwischen den die Speisen auf der Plattform anbietenden Restaurants und dem Verbraucher zustande kommt und der Onlinelieferservice lediglich als technischer und logistischer Dienstleister in die Abwicklung der Bestellung eingeschlossen ist. Als Bezahlungsmöglichkeiten standen die Zahlmittel PayPal und Kreditkarte zur Verfügung. Mit Erhalt der Bestellbestätigung wurde die Kreditkarte des Kunden mit dem Zahlungsbetrag aus der Bestellung durch den Lieferservice belastet. Im Anschluss wurde auch die Logistik und Auslieferung der Bestellung durch den Onlinelieferdienst übernommen. Weiterhin verwies der Onlinelieferdienst in seinen Nutzungsbedingungen darauf, dass die Kunden sich bei etwaigen Unverträglichkeiten direkt mit den Restaurants in Verbindung setzen sollten, um Informationen über Allergene zu erhalten.

Das LG Berlin hat der Klage der vzbv stattgegeben und ausgeführt, dass die Informationspflichten gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) auch für die betroffene Onlineplattform gelten.

Zur Begründung führte es aus, dass Art. 14 LMIV sich an den konkret verantwortlichen Lebensmittelunternehmer richte. Gemäß Art. 8 Abs. 1 LMIV sei dies der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet werde. Lebensmittelunternehmer seien gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) LMIV i. V. m. Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die natürlichen oder juristischen Personen, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden.

Vor diesem Hintergrund sei der Plattformbetreiber für die Pflichtinformationen gem. Art. 14 LMIV verantwortlich, denn der Onlinelieferservice sei erheblich in die Bestellung und Abwicklung eingebunden. Die Bestellung und Zahlungsabwicklung erfolge über die Onlineplattform. Die Auslieferung erfolge durch für die Onlineplattform tätige Fahrer. Auch böte der Betreiber der Plattform Speisen- und Getränkeangebote der kooperierenden Restaurants auf der Plattform unter seinem Logo an und vereinheitliche deren Marktauftritt mit seinem Corporate Design. Durch diese Bündelung mache der Onlinelieferservice die Speisen und Getränke einem breiten Publikum zugänglich. Aus Sicht eines die Plattform nutzenden Verbrauchers, der ausschließlich mit dem Plattformbetreiber, nicht aber mit den kooperierenden Restaurants in Kontakt trete, sei der Onlinelieferservice im erheblichen Umfang in den Liefer- und Abwicklungsbetrieb eingebunden. Damit sei der Plattformbetreiber als Lebensmittelunternehmen anzusehen und der Betreiber der Plattform mithin verantwortlicher Lebensmittelunternehmer. Ob die Onlineplattform hingegen Vertragspartner der abgeschlossenen Lieferverträge werde oder nicht, sei angesichts der vorgenannten Umstände sowie der weiten Legaldefinitionen unerheblich. Ebenso wenig komme es darauf an, ob die Plattform im Rahmen der Zahlungsabwicklung lediglich als Zahlstelle agiere.

Kommentierung:

Gemäß Art. 14 i. V. m. Art. 8 Abs. 1 LMIV sind grundsätzlich die Betreiber von Onlineshops bzw. Onlineplattformen dafür verantwortlich, dass dem Verbraucher alle Pflichtinformationen vor Abschluss des Kaufvertrages zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Präsenzen auf Marktplätzen bzw. Marktplatzbetreiber. Aufgrund der Divergenz der Vertriebskonzepte von Marktplätzen gilt es jedoch grundsätzlich zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden:

Stellt der Plattformbetreiber lediglich einen „Marktplatz“ zur Verfügung, auf dem die teilnehmenden Restaurants ihre Speisen eigenständig und in eigener Verantwortung anbieten, ohne dass er an dem weiteren Vertragsabschluss oder der Vertragsabwicklung, z. B. in Form der Entgegennahme von Zahlungen beteiligt ist, scheidet eine Lebensmittelunternehmereigenschaft und eine Verantwortlichkeit i. S. v. Art. 14 LMIV aus. Denn in diesem Fall ist der Plattformbetreiber ebenso wenig Lebensmittelunternehmer wie ein Vermieter von physischen Standplätzen in Markthallen oder auf Marktplätzen.

Übernimmt der Plattformbetreiber hingegen weitere Aufgaben im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung des Vertrages, z. B. Zahlungs- oder Lieferdienstleistungen etc., ist der Plattformbetreiber Lebensmittelunternehmer und im Ergebnis für die Informationen gem. Art. 14 LMIV verantwortlich. Dies war im vorliegenden Fall aufgrund der Abwicklung der Zahlungen sowie der Lieferung der Fall.

Eine entsprechende Einordnung wurde auch bereits durch die EU Kommission in einem FAQ zum Onlinehandel mit Lebensmitteln aus dem Jahr 2015 (Frage 1.8) getroffen. Diese lautet:

1.8 A business runs an internet site hosting a commercial web page that allows small caterer businesses to sell their foods via the internet. What responsibilities does the owner of the website have in ensuring the correct information is present on the individual pages of the small businesses?

The owner of the website must ensure that the catering businesses are aware that the FIC Regulation applies to the caterers and in particular:

  • as far as prepacked foods are concerned:
    • that all mandatory food information, except the marking dates, must be available before the purchase is concluded (i.e. before the consumer decides to go ahead with the purchase) and must appear on the material supporting the distance selling or be provided through other appropriate means clearly identified by the food business operator, without any supplementary costs for the consumer;
    • that all mandatory particulars are available at the moment of delivery.
  • as far as non-prepacked foods are concerned:
    • at th very least, they need to provide the consumers with allergen/intolerance information before a purchase is concluded (i.e. before the consumer decides to go ahead with the purchase);
    • there may be additional mandatory information required by national authorities.

If the owner of the website is not just hosting those catering businesses but the consumers pay the owner of the website and the caterer delivers the food to the consumer for which an agreed amount is paid to the caterer by the owner of the website, then the owner must ensure that the caterer complies with the FIC Regulation and national rules.

Die Entscheidung zeigt, dass bei der Konzeption von Onlinevertriebskonzepten stets sorgfältig zu prüfen ist, ob ggf. Informationspflichten bestehen und ob diesen genügt wird. Anderenfalls drohen – wie im vorliegenden Fall – Abmahnungen oder weitere rechtliche Konsequenzen.

 

Redaktion: Dr. Clemens Comans