Mit Urteil vom 13.11.2024 hat das EuG in der Rechtssache T-189/21 das im Anhang III Teil A der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 vorgesehene generelle Verbot der Verwendung von Zubereitungen aus Blättern von Aloe-Arten, die Hydroxyanthracen-Derivate (HAD) enthalten, für nichtig erklärt.

Sachverhalt

Aloe Vera ist eine Aloe-Art, deren Blatt aus drei Schichten besteht, nämlich erstens aus einer dicken grünen Außenhaut, die die Pflanze vor Witterungseinflüssen schützt, zweitens aus einer Zwischenschicht aus einem gelblichen Latex, die HAD enthält, und drittens aus einer feuchten, transparenten Innenschicht aus gallertartiger Flüssigkeit, die die Nährstoffe der Pflanze enthält.

HAD kommen in verschiedenen botanischen Arten natürlich vor, wie z. B. in bestimmten Aloe-Arten sowie in bestimmten Obst- und Gemüsesorten. Sie werden wegen ihrer abführenden Wirkung z. B. weithin in Nahrungsergänzungsmitteln und pflanzlichen Arzneimitteln verwendet.

Das klagende Unternehmen stellt unter anderem ein Aloe Vera-Blattgel aus der Innenschicht des Blattes her, das als Lebensmittel zur Herstellung von Getränken verwendet wird. Das Gel kann mitunter Rückstände von HAD enthalten.

Im November 2017 hatte die EFSA eine Risikobewertung zu HAD publiziert. In dieser stellte die EFSA fest, dass sich HAD als in vitro genotoxisch erwiesen haben. Auch Aloe-Extrakte hätten sich als in vitro genotoxisch erwiesen, was nach Auffassung der EFSA höchst wahrscheinlich, jedoch zumindest teilweise, auf die darin enthaltenen HAD zurückzuführen sei. Die EFSA war nicht in der Lage, eine Empfehlung zur täglichen unbedenklichen Aufnahme von HAD abzugeben.

In der Folge erließ die Kommission die Verordnung (EU) 2021/468 mit der in Anhang III Teil A der VO (EG) Nr. 1925/2006 der Eintrag „Zubereitungen aus Blättern von Aloe-Arten, die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten“ als verbotener Stoff aufgenommen wurde.

Das klagende Unternehmen rügte, dass aufgrund der Risikobewertung durch die EFSA nicht wissenschaftlich gesichert sei, dass Zubereitungen aus Blättern von Aloe Arten, darunter auch das von dem Unternehmen hergestellte Gel, per se gesundheitsschädlich seien, wenn diese HAD und sei es auch nur in geringfügigen Restmengen, enthalten. Die Kommission habe die entsprechende Verbotsregelung nicht erlassen dürfen, weil durch die EFSA keine Risikoschwelle festgelegt worden sei.

Entscheidung

Das EuG hat entschieden, dass die vorgenannte Regelung zu Aloe-Zubereitungen nichtig ist.

Zur Begründung führte es aus, dass sowohl aus der Risikobewertung der EFSA als auch den Erwägungsgründen der Verordnung (EU) 2021/468 hervorgehe, dass bei einer Herstellung von verschiedenen Lebensmitteln HAD durch eine Reihe von Filterverfahren aus den pflanzlichen Zubereitungen entfernt werden könnten, wodurch Produkte entstünden, die diese Stoffe nur in Spuren als Verunreinigungen enthalten würden. Weiterhin stehe auch fest, dass HAD durch die Bevölkerung im Rahmen der allgemeinen Ernährung aufgenommen werden. Die EFSA habe diese Menge jedoch mangels Daten nicht beziffern können. Dies habe die Kommission fehlerhafterweise so interpretiert, dass jede Zubereitung, die HAD enthalte, selbst wenn es sich hierbei um Rückstände handele, hätte verboten werden dürfen.

Ein Verbot gem. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 setze jedoch voraus, dass der für das Verbot vorgesehene Stoff zu einer Aufnahme von Mengen dieses Stoffes führt, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Menge liegt. Die normale Aufnahmemenge habe die EFSA jedoch mangels Daten nicht ermitteln können.

In der Folge seien die Voraussetzungen für ein umfassendes Verbot von Zubereitungen aus Blättern von Aloe-Arten, die Hydroxyanthracen-Derivate enthalten, nicht gegeben, weshalb das EuG die Regelung für nichtig erklärte.

 

Redaktion: Prof. Dr. Clemens Comans