Der EuGH muss sich demnächst mit der Frage beschäftigen, was mit dem Begriff „Produktname“ in der LMIV gemeint ist.

Hintergrund

In Anhang VI Teil A Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1169/2011 (LMIV) findet sich die sog. Imitat- oder Ersatzregelung. Sie betrifft Fälle, in denen eine für ein Lebensmittel übliche Zutat durch eine andere Zutat ganz oder teilweise ersetzt wurde. Das ist bspw. der Fall, wenn tierische Bestandteile durch pflanzliche ersetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von Pflanzenfett anstelle von Speck in einer Salami. Ein anderes Beispiel wäre ein aus pflanzlichen Fetten anstelle aus Milchbestandteilen hergestellter „Analogkäse“, der aber wegen der besonders geschützten Bezeichnungen von Milcherzeugnissen sowieso eine andere Bezeichnung tragen muss.

In diesen Fällen muss die Kennzeichnung und zwar zusätzlich zum Zutatenverzeichnis einen besonderen Hinweis auf die Verwendung der Austauschzutat enthalten. Für diesen Hinweis stellt die LMIV weiterhin bestimmte Formvorschriften auf. Der Hinweis muss sich in unmittelbarer Nähe zum Produktnamen und in einer Mindestschriftgröße von 75 % der x-Höhe des Produktnamens auf dem vorverpackten Lebensmittel befinden.

Die Anwendung der Regelung wirft zwangsläufig die Frage auf, was unter dem Begriff des „Produktnamens“ zu verstehen ist. Die LMIV selbst erläutert den Begriff nicht. Auch wird der Begriff des Produktnamens an keiner anderen Stelle im Gesetz verwendet.

Nach einer Rechtsauffassung handelt es sich bei dem Produktnamen um die Bezeichnung des Lebensmittels im Rechtssinne (Art. 17 LMIV).

Nach einer anderen Rechtsauffassung handelt es sich bei dem Produktnamen um etwas anderes als die Bezeichnung des Lebensmittels, z. B. eine Handelsmarke oder eine Fantasiebezeichnung, die manche, aber eben nicht alle Lebensmittel prominent auf der dem Verbraucher zugewandten Seite der Produktverpackung tragen.

Bei dieser Rechtsauffassung ist jedoch die weitergehende Frage zu beantworten, wo die Kennzeichnung zu erfolgen hat, wenn ein Produkt gerade keine Handelsmarke oder Fantasiebezeichnung trägt. In der Literatur werden beide Auffassungen vertreten.

Auch der ALTS hat sich bereits mit der Auslegung des Begriffes „Produktname“ beschäftigt. Im Rahmen der 80. Arbeitstagung hat er unter TOP 3 beschlossen, dass der Produktname die Bezeichnung des Lebensmittels sein kann, aber auch eine Fantasiebezeichnung oder ein Markenname. ALTS-Beschlüsse sind jedoch nicht rechtsverbindlich.

Aktuelles Gerichtsverfahren

Nunmehr beschäftigen sich auch die Gerichte mit dem Begriff „Produktname“. Im vorliegenden Fall stellt ein Lebensmittelunternehmen ein Fleischerzeugnis her, das unter einer prominenten Marke („Bifi“) in den Verkehr gebracht wird.

Das unter dieser Marke vertriebene Produkt der Geschmacksrichtung „Turkey“ wird unter Verwendung der Zutaten Palmfett und Rapsöl hergestellt. Auf deren Verwendung wird in der Bezeichnung im Rechtssinne durch die Angabe „Geflügel-Minisalami mit Palmfett und Rapsöl“ zusätzlich zum Zutatenverzeichnis ausdrücklich hingewiesen.

Die zuständige Lebensmittelüberwachung ist der Auffassung, dass dieser Hinweis bereits im Zusammenhang mit dem eingetragenen Markennamen „Bifi“ und in der Mindestschriftgröße erfolgen muss, die Anhang VI Teil A Nr. 4 LMIV verlangt. Das Unternehmen ist der Auffassung, dass mit dem Begriff „Produktname“ die Bezeichnung im Rechtssinne gemeint ist und ihre Angaben den lebensmittelrechtlichen Vorschriften vollumfänglich entsprechen.

Gegen eine entsprechende Anordnung der bayerischen Überwachungsbehörden hat sich das Unternehmen deshalb klageweise zur Wehr gesetzt. Das Verwaltungsgericht Ansbach, das mit dem Verfahren befasst ist, hat nunmehr das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, was unter dem Begriff des Produktnamens zu verstehen ist, nämlich die Bezeichnung im Rechtssinne, wie die Klägerin meint, oder eine davon zu trennende Angabe wie beispielsweise eine Handelsmarke oder eine Fantasiebezeichnung, wie die Überwachung meint. Der Vorlagebeschluss kann hier abgerufen werden.

Das Verfahren ist seit September 2021 beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-595/21 anhängig. Ob der EuGH in diesem Jahr eine Entscheidung treffen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls gilt es, das Verfahren genau zu beobachten.

Wir werden Sie über den weiteren Fortgang des Verfahrens informieren.

 

Redaktion: Sascha Schigulski