Am 02.09.2021 hat der EuGH sich mit einem Urteil in der Sache Toropet (C-836/19) erstmals zu der Kategorisierung von tierischen Nebenprodukten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 geäußert. Das Urteil ist hier abrufbar.

Sachverhalt

Das klagende Unternehmen ist ein gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 zugelassener Zwischenbehandlungsbetrieb für Material der Kategorie 3. Im Rahmen seiner Tätigkeit verarbeitete die Firma die tierischen Nebenprodukte und verkaufte diese anschließend beispielsweise an Hersteller von Tiernahrung sowie Verwerter von Tierfetten und Biogasanlagen. Im Rahmen einer Regelkontrolle stellte die für die Firma zuständige Überwachungsbehörde fest, dass einige Paloxen mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 erheblichen Schimmelbefall, deutlich wahrnehmbare Verwesungserscheinungen sowie Fremdkörper wie Putzstücke, Plastikreste und Sägespäne aufwiesen. Infolgedessen stufte die Behörde das Material im Rahmen einer behördlichen Anordnung in die Kategorie 2 hoch und ordnete gleichzeitig die sofortige Beseitigung der betroffenen Paloxen an, die noch am selben Tag durchgeführt wurde, da keine Aufbewahrungsmöglichkeit bestand.

In der Folge wehrte sich das Unternehmen gegen die Kategorisierungsanordnung der Behörde mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der behördlichen Umkategorisierung feststellen zu lassen.

Rechtlicher Hintergrund 

Stoffe tierischen Ursprungs sind, sofern diese generell nicht oder nicht mehr verzehrt werden dürfen, als tierisches Nebenprodukt anzusehen. Die Grundsätze zur Kategorisierung solcher tierischen Nebenprodukte sind in Art. 7 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 geregelt. Danach müssen tierische Nebenprodukte grundsätzlich gemäß dem Grad der von ihnen ausgehenden Gefahr in eine von drei Kategorien eingeteilt werden.

Material der Kategorie 3 stellt die Kategorie mit dem geringsten Risikopotenzial dar, weshalb diese Materialien zur Herstellung von einer Vielzahl von Folgeprodukten verwendet und darüber hinaus auch frei am Markt von registrierten oder zugelassenen Unternehmen gehandelt und verwendet werden können.

Die Verwendung von Material der Kategorie 1 und 2 ist hingegen stark eingeschränkt. Darüber hinaus müssen diese Materialien, bis auf wenige gesetzlich ausdrücklich geregelte Ausnahmen, in Deutschland an die örtlich zuständigen Entsorger abgegeben werden. Weiterhin geht die Entsorgung von Material der Kategorie 1 und 2 in der Regel mit erheblich höheren Kosten einher.

Die zentrale Frage, die der EuGH zu beantworten hatte, war, ob eine einmal getroffene Kategorisierung nachträglich, insbesondere aufgrund tatsächlich geänderter Umstände, abgeändert werden kann.

Entscheidung 

Der EuGH bestätigte die Zulässigkeit der behördlichen Umkategorisierung.

Er weist zunächst zutreffend darauf hin, dass sich die Kategorisierung der Materialien nach der von diesen Materialien ausgehenden Gefahr richtet. Eine Kategorisierung in eine der drei genannten Kategorien ist zwingend vorzunehmen, sobald tierische Nebenprodukte anfallen. Die in den Art. 8 bis 10 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 genannten Tatbestände sind dabei abschließend (sog. Numerus clausus des tierischen Nebenprodukterechts).

Sodann erläutert der EuGH ebenfalls zutreffend, dass der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 keine ausdrücklichen Vorgaben dafür zu entnehmen sind, dass eine einmal getroffene Kategorisierung unabänderlich sei. Vielmehr lasse sich der Verordnung entnehmen, dass eine solche Umkategorisierung sogar verpflichtend sei, wenn der ursprüngliche Kategorisierungstatbestand entfallen bzw. ein anderer Tatbestand einschlägig sei. Dies ergebe sich aus Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, wonach die Unternehmer in allen Phasen der Sammlung, des Transports, der Handhabung und Verarbeitung von tierischen Nebenprodukten sicherzustellen haben, dass tierische Nebenprodukte gemäß den Anforderungen der Verordnung verwendet werden. Somit seien Unternehmer dazu verpflichtet, kontinuierlich zu überprüfen, ob sich die von dem konkreten Material ausgehende Gefahr vergrößert habe oder nicht. Dies lasse sich auch aus dem 36. Erwägungsgrund sowie Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1069/2009 ersehen.

Tritt somit eine Veränderung des Materials ein, die dazu führt, dass der zunächst einschlägige Kategorisierungstatbestand nicht mehr gegeben ist, muss eine erneute Kategorisierung vorgenommen werden. Ob dies der Fall ist, sei durch die Unternehmen laufend im Rahmen von Eigenkontrollen zu überprüfen.

Weiterhin weist der EuGH darauf hin, dass das Vorhandensein eines Fremdkörpers in Material der Kategorie 3 nicht automatisch zu einer Umkategorisierung des Materials führt. Zutreffend weist der EuGH darauf hin, dass gemäß Anhang IV Kapitel I Abschnitt IV Nr. 3 der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 Verarbeitungsbetriebe über eine Einrichtung zur Kontrolle auf Vorhandensein von Fremdkörpern, wie etwa Verpackungsmaterial oder Metallteile, verfügen müssen. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalanwalts führt der EuGH aus, dass Fremdkörper, die sich mithilfe solcher Vorrichtungen leicht, sicher und unter Beachtung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 entfernen lassen, nicht dazu führen, dass Material der Kategorie 2 gemäß Art. 9 Buchst. d) der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 vorliegt.

Das streitgegenständliche Material habe im konkreten Fall Putzstücke und Sägespäne enthalten, bei denen nicht angenommen werden könne, dass diese, selbst in dem Fall, wenn diese aufgespürt würden, leicht und sicher zu entfernen seien. Vielmehr seien solche Fremdkörper derart eng mit dem tierischen Nebenprodukt verbunden, dass ihre Entfernung schwierig, wenn nicht unmöglich sei. Derartige Fremdkörper würden denselben Grad der Gefahr aufweisen wie Material der Kategorie 2 gemäß Art. 9 Buchst. d) der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 (Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die aufgrund des Vorliegens von Fremdkörpern als für den menschlichen Verzehr nicht geeignet erklärt wurden).

Anmerkung

Der Entscheidung des EuGH ist in weiten Teilen zuzustimmen. Dies betrifft insbesondere die Abänderlichkeit der Kategorisierung sowie die Verpflichtung, diese regelmäßig zu kontrollieren. Auch der Einordnung der Materialien im konkreten Fall ist zuzustimmen.

Dem Hinweis des EuGH, dass der Verwendungszweck, zu dem das Material verwendet werden soll, aufgrund der Systematik der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 grundsätzlich keinen Einfluss auf die Kategorisierung hat, da sich die Kategorisierung nur nach dem Grad der von dem Material ausgehenden Gefahr richte, ist in weiten Teilen ebenfalls zuzustimmen. Diese Aussage ist aber nur insoweit zutreffend, sofern die Tatbestände der Art. 8 bis 10 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 nichts Anderes fordern. Art. 10 Buchst. f) der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 ist ein solcher Fall, bei dem die weitere Verwendungsabsicht in die Kategorisierungsbewertung mit einzustellen ist. Denn die Tatbestandsvoraussetzung, dass von dem Material „keine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier“ ausgehen darf, ist eine wertende Betrachtung, die nicht abstrakt und losgelöst vom Einzelfall, sondern anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu erfolgen hat, wobei zwangsläufig auch die beabsichtigte weitere Verwendung des Stoffes mit zu berücksichtigen ist.

Weiterhin darf das Urteil des EuGH nicht dahingehend missverstanden werden, dass jede Veränderung des konkreten Materials zu einer Änderung der Kategorisierung führt. Das streitgegenständliche Material wies einen massiven Schimmelbefall und eine Verwesung sowie erhebliche Mengen an Fremdkörpern auf, die im Ergebnis eine Änderung der Kategorisierung von der Kategorie 3 auf Kategorie 2 gerechtfertigt haben. Sofern aber beispielsweise ehemalige Lebensmittel lediglich geringfügige Auffälligkeiten aufweisen, z. B. Vergrauungen, Gefrierbrand, punktuellen Schimmel etc., ist eine Änderung der Kategorisierung nicht geboten.

 

Redaktion: Dr. Clemens Comans