EuGH-Urteil zur Kennzeichnung von Vitaminen im Zutatenverzeichnis
Der EuGH hat entschieden, dass Vitamine, die als Zutat zur Herstellung von zusammengesetzten Lebensmitteln und zu deren Anreicherung verwendet werden, nicht zwingend mit ihrer chemischen Stoffbezeichnung, z. B. Retinylacetat, Cholecalciferol, etc. angegeben werden müssen, sondern dass die Angabe deren verkehrsüblicher Bezeichnung, also z. B. Vitamin D und Vitamin A etc. ausreichend sind.
Die Entscheidung ist hier abrufbar.
Sachverhalt
Anlass für das Gerichtsverfahren war eine von einem Lebensmittelunternehmen hergestellte Margarine, die u. a. in Ungarn vertrieben wurde. Diese wies im Zutatenverzeichnis die Begriffe „Vitamin A, D“ auf und machte auf diese Weise kenntlich, dass das Produkt mit diesen Vitaminen angereichert wurde. Die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde erachtet dies als nicht zulässig und ordnete an, dass die Kennzeichnung anzupassen sei, weil diese Angaben nicht ausreichend seien. Stattdessen müsse als Bezeichnung im Zutatenverzeichnis die verwendete Vitamin-Verbindung, also Cholecalciferol, Beta Carotin etc. angegeben werden.
Das Unternehmen war hingegen der Auffassung, dass dies nicht erforderlich sei, weshalb gegen die Anordnung Klage erhoben wurde.
Entscheidung
Der EuGH entschied, dass die Angaben Vitamin A und Vitamin D im Zutatenverzeichnis ausreichend sind und die zusätzliche Angabe der Stoffbezeichnungen nicht erforderlich ist.
Zur Begründung führt er zunächst aus, dass Zutaten mit ihrer Bezeichnung nach Maßgabe des Art. 17 LMIV anzugeben sind. Danach müssen grundsätzlich und sofern einschlägig, in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnungen für die Stoffe verwendet werden. Existieren solche nicht, ist die Verwendung von verkehrsüblichen Bezeichnungen zulässig.
Bei den in dem Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 aufgelisteten Vitamin-Verbindungen handelt es sich nach Auffassung des EuGH nicht um rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen. Dies ergebe sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006, die lediglich eine Harmonisierung der Vorschriften über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen beabsichtige. Art. 7 der Verordnung, sehe gerade nicht vor, dass die im Anhang II genannten Bezeichnungen zwingend zu verwenden sind. Hieraus schlussfolgert der EuGH, dass die Bezeichnung von Vitaminen im Zutatenverzeichnis nach den allgemeinen Vorschriften der LMIV erfolgt. Insoweit liege der Fall auch anders als in der EuGH-Sache „Tesco Stores“ (Az.: C-881/19), über die wir ebenfalls berichtet haben.
In Ermangelung einer rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung für Vitamin-Verbindungen sei es daher nicht zu beanstanden, wenn für die Kenntlichmachung der Vitamine im Zutatenverzeichnis die identischen Angaben verwendet werden, wie in der Nährwertdeklaration. Damit konstatiert der EuGH, dass es sich bei Angaben wie „Vitamin A“ oder „Vitamin D“ um im Ergebnis um verkehrsübliche Bezeichnungen handelt. Ergänzend weist der EuGH darauf hin, dass die Verwendung von Angaben wie „Retinol“, „Beta Carotin“ oder „Cholecalciferol“ im Zutatenverzeichnis dazu führen könne, dass die Information komplexer, technischer und damit für einen Durchschnittsverbraucher weniger klar und weniger leicht verständlich werde, wenn in der Nährwertdeklaration einerseits Angaben wie Vitamin A und Vitamin D im Zutatenverzeichnis hingegen die in Anhang II der Verordnung Nr. 1925/2006 aufgeführten Vitaminverbindungen wie „Retinylacetat“ oder „Cholecalciferol“ verwendet würden. Denn die meisten dieser Vitaminverbindungen seien für die breite Öffentlichkeit relativ schwer verständlich und dieser wenig bekannt.
Der Entscheidung des EuGH ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass es einer intensiven Prüfung im Einzelfall bedarf, ob im Gesetz genannte Angaben als rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen anzusehen sind oder nicht, um Beanstandungen oder Abmahnungen zu vermeiden. Wie die Rechtssache Tesco (Az.: C-881/19) ebenfalls verdeutlicht hat, gewinnt die vorgenannte Thematik abermals an besonderer Bedeutung, wenn Lebensmittel in mehreren Mitgliedstaaten vertrieben werden und sich die Pflichtinformationen zu einem Lebensmittel in mehreren Landessprachen auf dem Etikett befinden. Die Ausführungen des EuGH sind weiterhin uneingeschränkt auf Mineralverbindungen und deren Kennzeichnung im Zutatenverzeichnis zu übertragen.
Redaktion: Dr. Clemens Comans