Am 13.01.2022 hat sich der EuGH mit der Kennzeichnung von zusammengesetzten Zutaten nach der LMIV beschäftigt. Gleichzeitig betrifft das Verfahren in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnungen und ist auch in dieser Hinsicht interessant. Das Urteil ist hier abrufbar.

Sachverhalt

Das klagende Unternehmen ist ein europaweit tätiger Lebensmitteleinzelhändler, der auch in Tschechien Supermärkte betreibt. Dort wurden verschiedene Milch-Schokoladen-Desserts vertrieben, deren Zutatenverzeichnis bemängelt wurde. In tschechischer Sprache wurde bei diesen Produkten im Zutatenverzeichnis „Schokolade in Pulverform“ angegeben. Eine Aufschlüsselung dieser zusammengesetzten Zutat erfolgte nicht.

Die tschechischen Behörden waren der Auffassung, dass auf Grundlage der tschechischen Umsetzung der Kakaorichtlinie 2000/36/EG nur bei der Verwendung des Begriffs „Schokoladenpulver“ auf eine Aufschlüsselung der Zutaten verzichtet werden könne. Dieser Wortlaut wurde aber gerade nicht verwendet.

Gegen diese Auslegung wehrte sich das Unternehmen und argumentierte, dass in anderen Sprachfassungen der Kakaorichtlinie „Schokolade in Pulverform“ beschrieben werde. Sodann wurde das Verfahren im Hinblick auf die Auslegung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Rechtlicher Hintergrund

Zusammengesetzte Zutat meint nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. h) LMIV eine Zutat, die selbst aus mehr als einer Zutat besteht. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f) LMIV sind auch Bestandteile einer zusammengesetzten Zutat Zutaten des Enderzeugnisses und somit nach Art. 18 LMIV grundsätzlich im Zutatenverzeichnis des Enderzeugnisses anzugeben.

Anhang VII Teil E LMIV enthält weitergehende Vorschriften zur Bezeichnung von zusammengesetzten Zutaten. Dessen Ziffer 1 bestimmt, dass eine zusammengesetzte Zutat dann unter ihrer Bezeichnung im Zutatenverzeichnis angegeben werden darf, wenn die Bezeichnung in einer Rechtsvorschrift festgelegt oder üblich ist, sofern unmittelbar danach eine Aufzählung ihrer Zutaten folgt. Deshalb müssen grundsätzlich auch die Zutaten einer zusammengesetzten Zutat im Enderzeugnis gekennzeichnet werden.

Anhang VII Teil E Ziffer 2 LMIV sieht von diesem Grundsatz jedoch Ausnahmen vor, sofern es sich nicht um Allergene handelt. Gem. dessen Buchst. a) ist ein Zutatenverzeichnis bei zusammengesetzten Zutaten entbehrlich, wenn deren Zusammensetzung in einer Rechtsvorschrift der Union festgelegt ist und die zusammengesetzte Zutat weniger als 2 % des Enderzeugnisses ausmacht. Buchst. c) der Ziffer sieht eine weitere Ausnahme vor, wenn für die zusammengesetzte Zutat nach Unionsvorschriften kein Zutatenverzeichnis erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall machte der Anteil der eingesetzten Zutat „Schokolade in Pulverform“ bzw. „Schokoladenpulver“ offensichtlich weniger als 2 % des Enderzeugnisses aus, weswegen eine Ausnahme nach Anhang VII Teil E Ziffer 2 Buchst. a) LMIV in Betracht kam.

Weiterhin spielten im vorliegenden Verfahren die Vorschriften der Kakaorichtlinie 2000/36/EG eine Rolle. Die Richtlinie regelt in Anhang I Verkehrsbezeichnungen und Begriffsbestimmungen für Kakao- und Schokoladenerzeugnisse. Nach Anhang I Teil A Ziffer 2 Buchst. c) der Richtlinie ist „Schokoladenpulver“ in der deutschen Sprachfassung eine entsprechende Verkehrsbezeichnung.

Richtlinien bedürfen der Umsetzung in das jeweilige nationale Recht. In Deutschland findet sich die entsprechende Umsetzung in der Kakaoverordnung. Auch dort ist im Anhang I Ziffer 2 Buchst. c) von „Schokoladenpulver“ die Rede.

Entscheidung

Der EuGH hat der Auslegung des Unternehmens eine Absage erteilt und die lebensmittelrechtlichen Vorschriften eng ausgelegt. Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass es sich bei der Begriffsbestimmung für Schokoladenpulver in der Kakaorichtlinie um eine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung im Sinne der LMIV handelt. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 LMIV gelte jedoch, dass, sofern eine in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung besteht, diese auch zwingend verwendet werden muss.

Das bedeutet, dass, wenn sich das Unternehmen auf die Ausnahmevorschrift des Anhangs VII Teil E Ziffer 2 Buchst. a) LMIV berufen möchte, dies auch nur dann möglich ist, wenn die in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung auch tatsächlich verwendet wird. Eine eigene Übersetzung der Bezeichnung dieser Zutat, wie sie beispielsweise in anderen Sprachfassungen der Richtlinie enthalten sei, sei demgegenüber unzulässig.

Das Ziel, die Verbraucher korrekt, neutral und objektiv zu informieren und sie nicht irrezuführen, sieht der EuGH als gefährdet an, falls die Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit hätten, sich nicht an die Bezeichnung der Zutat in der maßgeblichen Sprachfassung zu halten und frei in Begriffe, mit denen die zusammengesetzte Zutat in anderen Sprachfassungen dieser Regelung bezeichnet werde, zu übersetzen.

Der Umstand, dass die fragliche Zutat die Anforderungen der Definition in Anhang I Teil A Ziffer 2 Buchst. c) der Richtlinie 2000/36/EG tatsächlich einhalte, um als „Schokoladenpulver“ eingestuft zu werden, ändere nichts daran, dass nur die Bezeichnung der zusammengesetzten Zutat im Wortlaut der Richtlinie bzw. ihrer nationalen Umsetzung eine angemessene Information der Verbraucher erfüllen könne.

Anmerkung

Die vom EuGH vorgenommene Auslegung ist, wie bereits erwähnt, sehr eng. Sie reiht sich jedoch in eine Reihe von Entscheidungen ein, in denen der EuGH in den vergangenen Jahren eine restriktive Auslegung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften vorgenommen hat.

Klar ist, dass Lebensmittelunternehmer immer dann, wenn der Gesetzgeber bei Kennzeichnungsvorschriften bestimmte Begriffe oder Formulierungen in Anführungszeichen verwendet, diese genau in dieser Form verwendet werden müssen. Zu denken ist z. B. an die Formulierung zum Mindesthaltbarkeitsdatum. Insoweit sieht Anhang X Ziffer 1 Buchst. a) LMIV den Pflichtwortlaut „mindestens haltbar bis …“ vor. Auch gleichsinnige Abweichungen von diesem Wortlaut entsprechen nicht den Anforderungen des Gesetzes und werden daher in der Praxis beanstandet.

Mit der nun vorliegenden Entscheidung stellt der EuGH klar, dass die Verwendung von Anführungszeichen allein nicht entscheidend ist. Auch Verkehrsbezeichnungen und Begriffsbestimmungen, die im Gesetzestext nicht in Anführungszeichen abgedruckt sind, können rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen sein, die mit dem im Gesetz vorgesehenen Wortlaut verwendet werden müssen, um den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn damit, wie in dem Fall der zusammengesetzten Zutaten, Kennzeichnungserleichterungen verbunden sind. In diesem Fall sind also Anpassungen des Wortlautes auch dann unzulässig, wenn sie, wie im vorliegenden Fall – „Schokoladenpulver“ vs. „Schokolade in Pulverform“ – inhaltlich dasselbe ausdrücken.

Zur Kennzeichnung von Vitaminen und Mineralstoffen ist unter dem Az. C‑533/20 ein weiteres Verfahren anhängig. Dort geht es um die Frage, ob die Angaben Vitamin A und Vitamin D im Zutatenverzeichnis zulässig und ausreichend sind oder stattdessen die ausschließliche oder zusätzliche Angabe Beta-Carotin bzw. Cholecalciferol verwendet werden muss, weil diese Bezeichnungen im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 aufgeführt sind. Über den Ausgang des Verfahrens werden wir zu gegebener Zeit berichten.

Auf welche weiteren Bereiche sich diese Rechtsprechung und die Auslegung durch die Behörden künftig noch erstrecken wird, bleibt abzuwarten. Diese Entwicklung gilt es zu beobachten.

Auch zeigt die Entscheidung, dass bei der Nennung von Bezeichnungen im Gesetz gründlich zu prüfen ist, ob es sich um eine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung handelt oder nicht, um Beanstandungen sicher zu vermeiden.

 

Redaktion: Sascha Schigulski