Tara bei Fleischerzeugnissen
In jüngster Zeit beanstanden die Eichbehörden im gesamten Bundesgebiet die Gewichtskennzeichnung von bestimmten Fleischerzeugnissen, insbesondere bei Wurstwaren. Kunstdärme und Clipse als Wurstabbinder sollen nicht zum Nettogewicht gerechnet, sondern als Tara in Abzug gebracht werden.
Diese Auffassung wird damit begründet, dass mit Inkrafttreten der LMIV im Dezember 2014 die Nettofüllmenge des Lebensmittels auf der Vorverpackung angegeben werden muss. Für den Begriff des Lebensmittels greifen die Eichbehörden auf die Lebensmittel-Basisverordnung aus dem Jahr 2002 zurück. Danach sind Lebensmittel vereinfacht gesagt nur zur Aufnahme durch den Menschen bestimmte Stoffe und Erzeugnisse, was bei Kunstdärmen und Clipsen ersichtlich nicht der Fall ist.
Diese Argumentation überzeugt nicht. Zum einen existiert eine Verwaltungsvorschrift, nach der die genannten Bestandteile von Fleischerzeugnissen zum Nettogewicht des Lebensmittels zählen. Zum anderen hat diese Sichtweise auch die Rechtsprechung bereits bestätigt.
Im Jahr 2012 hat das VG Sigmaringen entschieden, dass Holzspieße eines Fleischspießes zum Produkt gehören und nicht als Tara in Abzug zu bringen sind. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Holzspieße integrativer Bestandteil eines Fleischspießes seien. Ohne den Holzspieß handele es sich hingegen um ein völlig anderes Produkt, z. B. Geschnetzeltes oder Gulasch.
Diese Überlegungen können auch auf verschiedene Würste übertragen werden. Auch bei Kochwürsten, wie Leberwurst, geben der Kunstdarm und die Clipse der Wurst ihr Gepräge. Sie sind ebenfalls integrative Bestandteile. Denn ohne sie läge ein anderes Produkt vor, nämlich lediglich eine formlose Brätmasse, aber keine Wurst.
Auch die von den Behörden angeführten Argumente überzeugen nicht. Für die Gewichtskennzeichnung hat die LMIV in der Frage, was Produkt oder Tara ist, keine Änderung gebracht. Und auch die Lebensmitteldefinition galt zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung seit 10 Jahren. Die Tatsache, dass die Holzspieße offensichtlich nicht zum Verzehr geeignet sind, hat die Rechtsprechung erkannt, aber ihr gerade keine entscheidende Bedeutung beigemessen.
Deshalb sollten Forderungen der Eichbehörden nach einem Abzug des Gewichts von Kunstdärmen und Clipsen nicht kommentarlos akzeptiert werden. Vielmehr ist eine Prüfung im Einzelfall angezeigt. Ein gerichtliches Vorgehen erscheint auf Basis der bisherigen Rechtsprechung nicht von vorneherein aussichtslos.
Entscheidend ist nämlich nicht, was Lebensmittel ist und verzehrt wird, sondern was Teil der Verpackung (=Tara) und was Teil des verpackten Produktes (=Füllmenge) ist.
Stand: 05.04.2018
Redaktion: Sascha Schigulski, Rechtsanwalt, Gummersbach, info@cibus-recht.de