Mit Urteil vom 28.10.2025 hat das Landgericht Kiel entschieden, dass die Angaben „Likör ohne Ei“, „Alternative zu Eierlikör“ und „Veganer Likör ohne Eier, der wie Eierlikör schmeckt“ für einen Likör, der ein veganes Alternativprodukt zu Eierlikör darstellt, zulässig sind. Die Entscheidung kann hier abgerufen werden.

Sachverhalt

Ein Unternehmen produziert und vertreibt verschiedene Spirituosen, u.a. auch einen veganen Likör, der die Angabe „Likör ohne Ei“ trägt. Auf dem Frontetikett ist darüber hinaus ein großer bunter Hahn zu sehen. Auf der Internetseite des Unternehmens und in dessen Onlineshop wurden zu dessen Bewerbung verschiedene Angaben, z. B. „Likör ohne Ei“, „Alternative zu Eierlikör“, „Veganer Likör ohne Eier, der wie Eierlikör schmeckt“, „Vegane Alternative zu Eierlikör“ sowie „Veganer Eierlikör“ und „Eierlikör ohne Eier“ verwendet. Diese Angaben wurden von einem Wettbewerbsverband als irreführend eingestuft, und das Unternehmen folglich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

Hieraufhin gab das Unternehmen nur zu einzelnen, nicht jedoch zu allen reklamierten Angaben eine Unterlassungserklärung ab. In der Folge behauptete der Wettbewerbsverband, dass durch das Unternehmen gegen die Unterlassungserklärung verstoßen wurde. Hieraufhin verklagte der Verband das Unternehmen, um die Vertragsstrafe geltend zu machen und auch die Rechtswidrigkeit der Verwendung der verbleibenden Angaben feststellen zu lassen.

Rechtlicher Hintergrund

Die Vorgaben für die Bezeichnung von Spirituosen sind in der Verordnung (EU) 2019/787 geregelt. Art. 10 Abs. 7 der genannten Verordnung lautet:

„Unbeschadet der Artikel 11, 12 und Artikel 13 Absätze 2 bis 4 dürfen die rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnungen gemäß Absatz 2 dieses Artikels oder die geografischen Angaben nicht bei der Bezeichnung, Aufmachung oder Kennzeichnung von Getränken verwendet werden, die die Anforderungen für die betreffenden Kategorien gemäß Anhang I oder der relevanten geografischen Angaben nicht erfüllen.
Das Verbot gilt auch dann, wenn solche rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnungen oder geografischen Angaben in Verbindung mit Wörtern wie „Art“, „Typ“, „à la“, „Fasson“, „Stil“, „Marke“, „-geschmack“ oder anderen ähnlichen Begriffen verwendet werden.“

Art. 12 der Verordnung enthält detaillierte Vorgaben für Anspielungen. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2019/787 definiert eine „Anspielung“ als

die direkte oder indirekte Bezugnahme auf eine oder mehrere rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen, die für die in Anhang I aufgelisteten Spirituosenkategorien vorgesehen sind, oder auf eine oder mehrere geografische Angaben für Spirituosen, bei denen es sich nicht um die Bezugnahme in einem zusammengesetzten Begriff oder in einem Zutatenverzeichnis gemäß Artikel 13 Absätze 2 bis 4 handelt, in der Bezeichnung, Aufmachung und Kennzeichnung von:

a) einem anderen Lebensmittel als einer Spirituose,
b) einer Spirituose, die den Anforderungen der Kategorien 33 bis 40 des Anhangs I der Verordnung entspricht, oder
c) einer Spirituose, die den Bedingungen des Artikels 12 Absatz 3a der Verordnung entspricht

In Anhang I Nr. 39 der Verordnung wird die Bezeichnung „Eierlikör“ aufgeführt. Es handelt sich also um eine rechtlich geregelte und damit auch grundsätzlich geschützte Bezeichnung.

Entscheidung

Das Landgericht stuft insbesondere die Angaben „Likör ohne Ei“ sowie „Alternative zu Eierlikör“ als zulässig ein.

Zur Begründung führt es aus, dass die Angabe „Likör ohne Ei“ keine Anspielung auf die geschützte Bezeichnung „Eierlikör“ ist. Der Begriff „Eierlikör“ werde in der Angabe nicht verwendet. Auch werde durch die Angabe nicht suggeriert, dass es sich um ein Produkt nach Art, Typ etc. eines Eierlikörs handele. Vielmehr werde das Produkt, was objektiv zutreffend sei, als Likör bezeichnet, der kein Ei enthalte.

Die Angabe stelle auch keine Anspielung i. S. v. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2019/787 dar. Bei der Prüfung, ob eine Anspielung auf eine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung vorliege, sei darauf abzustellen, ob der normal informierte, aufmerksame und verständige europäische Durchschnittsverbraucher durch die streitige Bezeichnung veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der Ware, die die rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung trägt, herzustellen. Dabei sei nicht jede, wie auch immer geartete Assoziation mit einer rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung als Anspielung einzustufen. Denn bei der Auslegung der Verordnung und auch des Begriffs der Anspielung müssten auch der Kontext und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, berücksichtigt werden. Ziel der Verordnung sei es, den Schutz der Verbraucher, auch und gerade vor Irreführung, neben dem Schutz des Ansehens der traditionell hergestellten Spirituosen sicherzustellen.

Im Ergebnis sei es zur Durchsetzung der genannten Ziele jedoch nicht erforderlich, Bezeichnungen, die auf eine Abgrenzung von neu entwickelten Produkten zu traditionell hergestellten Spirituosen abzielen, zu verbieten. Denn das Ansehen der traditionellen Spirituosenherstellung werde dadurch, dass Alternativen auf den Markt gelangen würden, nicht beeinträchtigt. Eine Anspielung sei daher nur dann anzunehmen, wenn, wie in Art. 10 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung angedeutet, versucht werde, eine Wesensgleichheit oder gar eine Identität mit der geschützten Angabe herzustellen. Dies sei aber bei gegensätzlichen Begriffen, wie etwa „Alternative zu …“ oder „Ersatz für …“ gerade nicht der Fall.

Auch weist das Landgericht darauf hin, dass die Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zur Spirituosen-Grundverordnung stets Sachverhalte betroffen hat, bei denen eine Wesensgleichheit oder Identität mit den geschützten Begriffen vorgegeben wurde.

Die Verordnung (EU) 2019/787 verbiete es gerade nicht, dem Verbraucher durch die Bezeichnung „Likör ohne Ei“ zu vermitteln, dass es sich bei dem Produkt um eine vegane Alternative zu Eierlikör handele. Denn die Verordnung habe nicht zum Ziel, den Markt oder den Verbraucher vor veganen Alternativen zu traditionellen Produkten zu schützen.

Anders als in den bisherigen Fällen der Rechtsprechung ziehe das beklagte Unternehmen jedoch gerade keinen unberechtigten Vorteil daraus, dass geschützte Begriffe verwendet werden. Vielmehr werde anhand der Angabe „Veganer Likör ohne Ei“ bzw. „Likör ohne Ei“ erkennbar gemacht, dass es sich um ein veganes Produkt, und deshalb gerade nicht um einen Eierlikör handele.

Diesen Ausführungen folgend erachtete das Gericht auch die Angabe „Alternative zu Eierlikör“, „Veganer Likör ohne Eier, der wie Eierlikör schmeckt“ als zulässig.

Auch die Auffassung des klagenden Verbandes, dass die Abbildung eines Hahns auf der Frontseite des Produktetiketts eine Assoziation zu Eierlikör darstelle, lehnt das Landgericht im Ergebnis ab. Nur weil auf dem Produkt ein Vogel abgebildet sei, erfolge hierdurch keine Bezugnahme zu Eierlikör.

Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung des Landgerichts deckt sich im Ergebnis mit der Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen (Oberlandesgericht Celle, Beschl. v. 06.08.2019, Az.: 13 U 35/19, „Käse-Alternative“; LG Osnabrück, Urteil vom 23.01.2018 – 15 O 377/17, „pflanzliche Alternative zu Butterschmalz“), auch wenn Teile der Begründung angesichts der spezifischen Regelungen zu Anspielungen im Spirituosensektor als diskutabel erscheinen.

Uneingeschränkt zuzustimmen ist dem Landgericht jedoch dahingehend, dass die Angabe „Likör ohne Ei“ keine Anspielung auf die geschützte Bezeichnung „Eierlikör“ ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst der Begriff „Anspielung“ eine Fallgestaltung, in der der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten Angabe in der Weise einschließt, dass der Verbraucher durch den Namen des fraglichen Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die diese Angabe trägt (EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016, Viiniverla, C‑75/15, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies ist bei der Angabe „Likör ohne Ei“ offenkundig nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um eine objektiv zutreffende Beschaffenheitsangabe zu dem streitgegenständlichen Erzeugnis, die gerade zum Ausdruck bringt, dass es sich nicht um einen Eierlikör handelt.

Auch nach dieser Entscheidung bleibt „Antiwerbung“ daher grundsätzlich zulässig. Die Entscheidung verdeutlich aber auch einmal mehr, dass die beanstandungsfreie Kennzeichnung und Bewerbung von Lebensmitteln, insbesondere von Alternativprodukten, stets eine Frage des Einzelfalles ist.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt daher abzuwarten, ob das Ringen um den „Likör ohne Ei“ in eine zweite Runde geht. Sollte dies der Fall sein, werden wir Sie hierüber informiert halten.

Prof. Dr. Clemens Comans