Am 25.04.2019 wurde im Amtsblatt der EU (ABl. L 111 vom 25.04.2019, S. 59–72) die Richtlinie (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittel- versorgungskette veröffentlicht, mit der Praktiken bekämpft werden sollen, die grob von der guten Handelspraxis abweichen und gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen.

Die Richtlinie definiert zu diesem Zweck eine Liste unlauterer Handelspraktiken, die in den Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Agrar- und Lebensmittelversor- gungskette verboten sind. Dabei unterscheidet die Richtlinie zwischen absolut und relativ verbotenen Handelspraktiken. Während die absolut verbotenen Handelspraktiken gänzlich verboten sind, sind die relativ verbotenen Handelspraktiken nur dann unzulässig, sofern diese Handelspraktiken nicht zuvor klar und eindeutig in einer Liefervereinbarung oder in einer Folgevereinbarung zwischen dem Lieferanten und dem Käufer vereinbart worden sind.

Zu den absolut verbotenen Handelspraktiken zählen insbesondere:

  • Zahlungen für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse, die mehr als 30 Tage nach Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums erfolgen, wobei der vereinbarte Lieferzeitraum einen Monat nicht überschreiten darf.
  • Kurzfristige Stornierungen von Bestellungen verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse durch den Käufer.
  • Einseitige Änderung der Bedingungen einer Liefervereinbarung für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse in Bezug auf Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise durch den Käufer.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Qualitätsminderung oder den Verlust von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen oder beides bezahlt, die in den Räumlichkeiten des Käufers auftreten oder nachdem der Besitz auf den Käufer übergegangen ist, wenn die Qualitätsminderung oder der Verlust nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten verursacht werden.
  • Vergeltungsmaßnahmen kommerzieller Art durch den Käufer gegen den Lieferanten, wenn der Lieferant seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht.
  • Entschädigungen für die Kosten der Bearbeitung von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten, obwohl weder vorsätzlich noch fahrlässig ein Verschulden des Lieferanten vorliegt.

Zu den relativen verbotenen Handelspraktiken zählen beispielsweise:

  • Rücksendung nicht verkaufter Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse an den Lieferanten durch den Käufer ohne Bezahlung der nicht verkauften Erzeugnisse.
  • Verlangen von Zahlungen vom Lieferanten für die Lagerung, den Verkauf, die Listung oder Bereitstellung dessen Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse.
  • Überwälzung von Werbekosten des Käufers auf den Lieferanten.
  • Erhebung von Vermarktungskosten durch den Käufer gegenüber dem Lieferanten für vom Käufer vermarktete Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse.
  • Überwälzung von Personal- und Einrichtungskosten des Käufers auf den Lieferanten.

Die Richtlinie sieht weiterhin die Errichtung einer nationalen Durchsetzungsbehörde vor, bei der sich von der Richtlinie geschützte Unternehmen (auch anonym) beschweren können. Der Durchsetzungsbehörde sollen folgende Kompetenzen eingeräumt werden:

  • Einleitung und Durchführung von Untersuchungen auf eigene Initiative oder aufgrund einer Beschwerde.
  • Umfassende Befugnis, von Käufern und Lieferanten alle zur Durchführung von Untersuchungen im Zusammenhang mit den verbotenen Handelspraktiken erforderlichen Informationen zu verlangen.
  • Betriebskontrollen.
  • Untersagungskompetenz für festgestellte verbotene Handelspraktiken.
  • Sanktionskompetenz zur Verhängung von Geldbußen.
  • Kompetenz zur Veröffentlichung von Verstößen und Maßnahmen.

Die Richtlinie bedarf noch der Umsetzung in nationales Recht. Abzuwarten bleibt daher, wie der deutsche Gesetzgeber die Regelungen umsetzt. Hierfür hat er Zeit bis zum 01.05.2021. Spätestens ab dem 01.11.2021 sind die Maßnahmen durch die Mitgliedsstaaten anzuwenden.

 

Redaktion: Dr. Clemens Comans