Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette
Bereits im April hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über „Unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette“ veröffentlicht. Das Dokument ist hier abrufbar.
Ziel des Vorschlages ist es, gemäß der Begründung der Kommission, einen unionsweiten Mindestschutzstandard bezüglich bestimmter offensichtlich unlauterer Handelspraktiken einzuführen, um Lieferanten von Lebensmitteln zu schützen, bei denen es sich um kleine und mittlere Unternehmen handelt, wenn sie Käufer beliefern, die keine kleinen und mittleren Unternehmen sind (vgl. Art. 1 Abs. 2 des Richtlinien-Entwurfes).
Die im Richtlinien-Entwurf genannten verbotswürdigen unlauteren Handelspraktiken sind u. a. Zahlungsfristen von mehr als 30 Kalendertagen für verderbliche Lebensmittelerzeugnisse, zu kurzfristige Stornierungen von Bestellungen verderblicher Lebensmittelerzeugnisse durch den Käufer, einseitige und rückwirkende Änderungen der Liefervereinbarungen durch den Käufer sowie die Verpflichtung des Lieferanten zur Bezahlung für die Verschwendung von Lebensmittelerzeugnissen, die in den Räumlichkeiten des Käufers auftritt und nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten verursacht wird.
Des Weiteren sieht der Entwurf vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass bestimmte Handelspraktiken verboten sind, wenn sie nicht klar und eindeutig in der Liefervereinbarung festgelegt werden. Dies betrifft die Retoure von nicht verkauften Lebensmittelerzeugnissen an den Lieferanten, die Inanspruchnahme des Lieferanten auf Zahlung für die Lagerung, das Anbieten zum Verkauf oder die Listung von Lebensmittelerzeugnissen, die Zahlungspflicht des Lieferanten für Werbung, wenn der Käufer vor Beginn einer Werbeaktion nicht mitteilt, in welchem Zeitraum die Aktion laufen wird und welche Menge an Lebensmittelerzeugnissen voraussichtlich bestellt werden sowie die Zahlung des Lieferanten für die Vermarktung von Lebensmittelerzeugnissen durch den Käufer.
Am 06.12.2018 wurde im Amtsblatt nun die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) zu dem Vorschlag für eine Richtlinie der Kommission veröffentlicht. Die Stellungnahme ist hier abrufbar.
Interessant sind hier insbesondere die Ausführungen unter Ziffer 5 (besondere Bemerkungen). Darin heißt es, dass die Kommission lediglich eine Reihe unlauterer Handelspraktiken untersage, nach Ansicht der EWSA aber ein Verbot aller unlauteren Praktiken erforderlich sei, beispielsweise aber nicht ausschließlich eine Untersagung folgender Praktiken:
- unbillige Übertragung des wirtschaftlichen Risikos
- unklare oder vage Vertragsbedingungen
- einseitige, rückwirkende Änderungen der Verträge einschließlich der Preise
geringere Produktqualität oder weniger Verbraucherinformationen, ohne dass dies den Käufern mitgeteilt, mit ihnen abgestimmt oder vereinbart wird - Beiträge zu Werbe- oder Vermarktungskosten
- Zahlungsverzögerung
- Listungs- oder Treuegelder
- Forderungen für Abfallprodukte oder unverkaufte Ware
- Nutzung produktkosmetischer Spezifikationen zur Zurückweisung von Lebens-mittelsendungen oder zur Minderung des gezahlten Preises
- Druckausübung zur Preisminderung
- Berechnung fiktiver Dienstleistungen
- Auftragsannullierung und Verringerung der veranschlagten Mengen in letzter Minute
- Androhung der Auslistung
- Pauschalgebühren, die Unternehmen von den Lieferanten als Bedingung für die Aufnahme in eine Lieferantenliste verlangen („pay to stay“)
Darüber hinaus sollen nach Ansicht der EWSA die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die Liste entsprechend der jeweiligen Situation in ihrem Land noch zu erweitern.
Im Rahmen der Arbeiten zu dem Richtlinien-Vorschlag haben Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung abgegeben, welche hier abrufbar ist. In dem Antrag wird darauf hingewiesen, dass der aktuelle Richtlinien-Vorschlag verhindere, dass von Lieferanten Umwelt- und Tierschutzstandards gefordert würden, die über den gesetzlichen Anforderungen liegen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich diesem Verbot in den weiteren Abstimmungen zur Richtlinie entgegenzustellen, da es die Ziele der Kommission zur Verbesserung des Umwelt- und Tierschutzes konterkariere.
Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Vorschläge des EWSA im weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden. Eine nochmals deutliche Erweiterung der als unlauter anzusehenden Handelspraktiken hätte in jedem Fall einen großen Einfluss auf die Vertragsfreiheit und die Gestaltung von Einkaufs- und Lieferbedingungen in der Lebensmittelwirtschaft.
Redaktion: Manuel Immel