Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass Überwachungsbehörden bei Produktrückrufen oder Produktrücknahmen unabhängig von der Anzahl der betroffenen Produkte oder dem Umfang der Rückverfolgbarkeitsdaten von Unternehmern fordern, dass die entsprechenden Daten binnen 24 Stunden elektronisch und auswertbar zur Verfügung gestellt werden müssen.

Aktuelle Rechtslage

Art. 18 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sehen vor, dass Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer die Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte sicherstellen müssen, indem sie jederzeit die Personen feststellen können, von denen sie ein Lebensmittel oder Futtermittel erhalten oder an die sie ein entsprechendes Produkt geliefert haben. Zu diesem Zweck sind die Unternehmer verpflichtet, entsprechende Systeme und Verfahren einzurichten, mit denen diese Informationen den zuständigen Behörden auf Aufforderung mitgeteilt werden können. Dabei gesteht der europäische Gesetzgeber den Unternehmern einen weitreichenden Gestaltungsspielraum zu, indem keine konkreten Vorgaben zu der Form des Systems oder einer Frist für die Übermittlung der Daten erfolgen.

44 Abs. 3 Satz 2 LFGB in seiner aktuellen Fassung sieht hierzu ergänzend vor, dass diese Informationen, sofern sie in elektronischer Form verfügbar sind, elektronisch zu übermitteln sind.

Entwicklungen zum Beginn des Jahres 2020

Mit der Bekanntmachung des Entwurfes eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches am 14.01.2020 durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wurde bekannt, dass die Vorgaben für die Form der Daten und die Frist für deren Übermittlung an die zuständigen Behörden konkretisiert werden sollen. Nach diesem Entwurf sollten die zuständigen Behörden dazu ermächtigt werden, im Einzelfall anordnen zu können, dass die Rückverfolgbarkeitsinformationen so vorzuhalten sind, dass diese auf Verlangen der in der Überwachung tätigen Personen „in einer bestimmten Form“ und „innerhalb einer bestimmten Frist“ übermittelt werden sollen, soweit dies nicht im Einzelfall eine unbillige Härte für den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer begründe.

Zur Begründung für diese Änderung wurde angeführt, dass die vergangenen Lebensmittelkrisen gezeigt hätten, dass eine schnelle Rückverfolgbarkeit von Lieferketten für eine wirksame Gefahrenabwehr von entscheidender Bedeutung sei. Die Verwertbarkeit der Informationen hänge entscheidend davon ab, ob diese der zuständigen Behörde in angemessener Form und in angemessener Frist mitgeteilt würden. Daher sollten die zuständigen Behörden explizit die Befugnis erhalten, unter Berücksichtigung der vom jeweiligen Unternehmen eingerichteten Systeme und Verfahren anzuordnen, dass die Informationen so vorzuhalten sind, dass sie der zuständigen Behörde im Bedarfsfall in bestimmter Form, z. B. elektronisch oder innerhalb einer bestimmten Frist, z. B. binnen 24 Stunden übermittelt werden können. In Hinsicht auf die Prüfung einer im Einzelfall vorliegenden unbilligen Härte sei nicht nur die Betriebsgröße, sondern insbesondere auch die jeweilige Risikoeinstufung des Betriebs zu berücksichtigen.

Diese Form- und Fristvorgabe wurde kritisiert. So wies insbesondere der Lebensmittelverband Deutschland in seiner Stellungnahme vom 11.02.2020 darauf hin, dass eine solch enge Form- und Fristvorgabe gegen das geltende EU-Recht verstoße. Die diesbezüglich vorgetragenen Bedenken wurden jedoch anscheinend nicht berücksichtigt.

Anpassung des Gesetzesentwurfes

Mit Schreiben vom 22.05.2020 hat das BMEL über eine erneute Anpassung des § 43 Abs. 3 LFGB informiert. Der neue Wortlaut des § 43 Abs. 3 Satz 2 LFGB soll danach wie folgt gefasst werden:

„Die in

      1. Satz 1 oder

      2. Artikel 18 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, auch in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 767/2009,

genannten Informationen sind so vorzuhalten, dass sie der zuständigen Behörde spätestens 24 Stunden nach Aufforderung elektronisch übermittelt werden können.“

Darüber hinaus soll ein neuer Satz 3 geschaffen werden, der wie folgt lauten soll:

„Die zuständige Behörde kann im Einzelfall Ausnahmen von den Anforderungen des Satzes 2 zulassen, soweit dies zur Vermeidung unbilliger Härten für den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer geboten erscheint und es mit den in § 1 Absatz 1 Nummer 1 genannten Zwecken vereinbar ist.“

Der neue Entwurf stellt eine weitere Verschärfung dar, denn dieser sieht nunmehr eine verbindliche Formvorgabe sowie eine Frist von 24 Stunden für die Übermittlung der Daten an die Behörde nach deren Aufforderung vor.

Der Begründung des aktuellen Gesetzesentwurfes ist hingegen nicht zu entnehmen, warum eine derartige Verschärfung erfolgen soll. Lediglich im Zusammenhang mit einer etwaig im Einzelfall vorliegenden unbilligen Härte, wird ergänzend darauf hingewiesen, dass eine solche insbesondere dann anzunehmen sein soll, wenn die von der Behörde gestellten Anforderungen nur mit hohem Aufwand für den jeweiligen Betrieb zu erfüllen wären, ohne dass dies unter Berücksichtigung der Risikoeinstufung des Betriebes erforderlich wäre. Nach wie vor sollen bei der Prüfung einer unbilligen Härte nicht nur die Betriebsgröße, sondern auch die Risikoeinstufung berücksichtigt werden.

Diese Entwicklungen zeigen, dass der deutsche Gesetzgeber die auf europäischer Ebene vorgesehene Flexibilität weiter einschränken möchte. Unklar bleibt unterdessen, in welchem elektronischen Format die Informationen vorgehalten werden sollen (PDF, XML-Datei, Excel-Liste, OCR-Scan etc.). Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen, die noch nicht über entsprechende Rückverfolgbarkeitssysteme verfügen und beispielsweise mit mehreren nicht untereinander verknüpften oder ausschließlich analogen Systemen arbeiten, sollten kritisch hinterfragen, ob im Rahmen der internen Prozessoptimierung zeitnah eine „Modernisierung“ der Rückverfolgbarkeitssysteme durchgeführt werden soll. Im Falle einer Modernisierung sollte das Gespräch mit den zuständigen Behörden gesucht werden, um deren Wünsche bzw. Vorgaben berücksichtigen zu können.

Es bleibt abzuwarten, ob die Vorschrift in der vorgenannten Form zu geltendem Recht wird. Aufgrund der immer lauter werdenden Rufe nach einer sehr kurzfristigen und elektronischen Zurverfügungstellung der Rückverfolgbarkeitsdaten und den Lebensmittelkrisen der letzten Jahre ist jedoch langfristig damit zu rechnen, dass die elektronische Form zum Standard werden wird. Ebenfalls ist damit zu rechnen, dass die nicht oder nicht vollständige sowie die nicht fristgerechte Übersendung der entsprechenden Daten mit einem Sanktionstatbestand belegt wird.

Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

 

Redaktion: Dr. Clemens Comans