Update – Nicht verzehrbare Wursthüllen und Wurstclipse sind Tara
Mit Urteil vom 06.05.2025 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nicht verzehrbare Wursthüllen und Wurstclipse nicht zur Füllmenge gehören und als Tara in Bezug gebracht werden müssen. Die Begründung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist nunmehr hier abrufbar.
Sachverhalt
Das klagende Unternehmen stellt Wurstwaren (Leberwürste in Kunstdärmen) her, die mit zwei Wurstendenabbindern in Form von Metallclipsen und einer Wursthülle versehen sind. Die Wursthülle sowie die Clipse sind nicht essbar. Diese Würste wurden in einer weiteren Klarsichtfolie/Schale verpackt und so Verbrauchern in Selbstbedienung zum Verkauf angeboten.
Im Rahmen einer Kontrolle durch die zuständigen Eichbehörden beanstandet diese, dass die das Wurstbrät umgebende Wursthülle und die Wurstclipse nicht verzehrt werden und daher nicht der Nettofüllmenge zugerechnet werden dürfen.
In der Folge untersagten die Eichbehörden dem Unternehmen, Fertigpackungen mit Wurstwaren, bei denen die Metallclipse und die Wursthüllen nicht austariert werden, in Verkehr zu bringen. Hiergegen erhob das betroffene Unternehmen Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht, das mit Urteil vom 28.03.2023 zugunsten der Eichbehörden entschied. Das OVG Münster entschied hingegen in der Berufungsinstanz mit Urteil vom 24.05.2024 zugunsten des Lebensmittelunternehmens und war der Auffassung, dass die nicht essbaren Anteile zum Nettogewicht zählen.
Rechtlicher Hintergrund
Gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. e) i. V. m. Art. 23 Abs. 1 und 3 i. V. m. Anhang IX LMIV ist bei vorverpackten Lebensmitteln die Nettofüllmenge des Lebensmittels anzugeben.
Gem. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind „Lebensmittel“ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.
Wurstclipse und nicht essbare Wursthüllen werden jedoch nicht von Menschen verzehrt, mit der Folge, dass die Eichbehörden die Auffassung vertreten, dass diese nicht zur „Nettofüllmenge des Lebensmittels“ zählen.
Entscheidung
Dieser Auslegung pflichtet das BVerwG nun bei. Das BVerwG entschied, dass nicht verzehrbare Umhüllungen nicht zur Nettofüllmenge des Lebensmittels gehören.
Zur Begründung verweist das BVerwG zunächst auf die Lebensmitteldefinition in Art. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (BasisVO) und stellt fest, dass die nicht für den Verzehr durch Menschen vorgesehene Wursthülle und die Clipse keine Lebensmittel sind. Sodann differenziert das BVerwG zwischen einer (eichrechtlichen) Verpackung sowie einer Vorverpackung gem. der LMIV. Der Begriff der Vorverpackung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. e) LMIV lasse erkennen, was unter einer Verpackung zu verstehen sei.
Der Begriff der Verpackung bezeichne eine vollständige oder teilweise Umschließung des Lebensmittels, derentwegen der Inhalt nicht entnommen werden kann, ohne die Umschließung zu öffnen oder zu verändern. Für die Annahme einer Vorverpackung müssten hingegen die weiteren Tatbestandsmerkmale der Legaldefinition, insbesondere die zeitliche Komponente des Verpackens in Abwesenheit des Verbrauchers sowie die Bestimmung als Verkaufseinheit erfüllt sein, damit die Verpackung als Vorverpackung einzuordnen ist.
In der Folge stuft das BVerwG die das Wurstbrät unmittelbar umschließende, nicht verzehrbare Wursthülle und die diese verschließenden Wurstclipse als Verpackung des Lebensmittels ein. Die diese umgebende Schale und Kunststofffolie stellen hingegen die Verkaufseinheit her und bilden die Vorverpackung.
Dem Argument des klagenden Lebensmittelunternehmens, dass es sich bei nicht verzehrbaren Wursthüllen und Wurstclipsen nicht um eine Verpackung i. S. v. Art. 2 Buchst. k), sondern um eine Umhüllung gem. Art. 2 Buchst. j) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 handele, erteilte das BVerwG eine Absage, da diese Differenzierung nur für die Zwecke des Hygienerechts gelte und somit nicht verallgemeinerungsfähig sei. Der Verpackungsbegriff des Art. 2 Abs. 2 Buchst. e) LMIV stelle darauf ab, dass eine Umschließung des Lebensmittels erfolge. Daher seien letztlich auch Umhüllungen im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. j) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 von dem Verpackungsbegriff umfasst, wenn diese das Lebensmittel entweder vollständig oder teilweise so umschließen, dass der Inhalt nicht ohne Öffnung oder Veränderung der Umschließung geändert werden kann.
Auch dem Argument, dass die Wursthülle und die Clipse letztlich dazu dienen, dass Wurstbrät zu formen, ließ das BVerwG nicht gelten, da Art. 2 Abs. 2 Buchst. e) LMIV nicht verlange, dass die Umschließung ausschließlich dem Zweck dienen müsse, den Inhalt vor Mengenveränderung zu schützen. Zudem verwies das Gericht darauf, dass bspw. auch in Schraubgläser und Dosen abgefülltes Wurstbrät letztlich als Wurst bezeichnet und vermarktet werde und diese Umhüllungen als Verpackungen eingestuft würden.
Weiterhin führt das BVerwG unter Rückgriff auf die Fertigpackungsrichtlinie sowie die Entstehungsgeschichte und dem systematischen Zusammenhang des Art. 9 Abs. 1 Buchst. e) LMIV sowie dessen Sinn und Zweck aus, dass der Begriff „Nettofüllmenge des Lebensmittels“ lediglich die tatsächlich in der Vorverpackung enthaltene Lebensmittelmenge bezeichne.
Die Einwendung des klagenden Unternehmens, dass die Nr. 7.1.3.3 der Richtlinie zur Füllmengenüberprüfung von Fertigpackungen (RFP) vorsehe, nicht essbare Wursthüllen und Clipse der Nettofüllmenge zuzuschlagen und nicht als Verpackung anzusehen, erteilt das Gericht ebenfalls eine Absage und wies darauf hin, dass es sich bei der genannten Richtlinie nicht um eine Rechtsvorschrift, sondern um eine Verwaltungsempfehlung handele. Wegen der Anpassung der Füllmengenkontrolle an die Vorgaben der LMIV in § 16 Abs. 1 i. V. m. § 9 FPackV analog dürfe die RFP der Füllmengenprüfung vorverpackter Wurstwaren nicht mehr zugrunde gelegt werden.
Schließlich prüft das Bundesverwaltungsgericht, ob die Vorgaben zur Füllmengenkontrolle einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 34 AEUV sowie eine Verletzung von Art. 15 und 16 der Europäischen Grundcharta darstellen. Beides verneint das Bundesverwaltungsgericht jedoch im Ergebnis. Auch verneint das Bundesverwaltungsgericht eine nach Art. 20 Grundrechtecharta unzulässige Gleichbehandlung. Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass im Thekenverkauf zu erwerbende lose Wurstwaren nicht mit vorverpackten Würsten vergleichbar seien. Die Anforderungen an vorverpackte Lebensmittel trügen dem Umstand Rechnung, dass diese vor dem Feilbieten in Abwesenheit des Käufers verpackt werden, der deshalb für kaufrelevante Informationen – anders als beim Thekenverkauf – auf die Kennzeichnung der Verpackung angewiesen sei. Daher sei eine etwaige Ungleichbehandlung aus diesem Grund sachlich gerechtfertigt.
Bewertung
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts setzt einem lange andauernden Kennzeichnungsstreit ein vorläufiges Ende. Mit der Entscheidung steht nunmehr fest, dass Lebensmittelunternehmer, die vorverpackte Lebensmittel in den Verkehr bringen, nicht verzehrbare Anteile des Produktes, z. B. nicht verzehrbare Wursthüllen, Fäden, Wurstendenabbinder, Clipse, Netze, nicht verzehrbare Wachsüberzüge etc. nicht der Nettofüllmenge zurechnen dürfen.
Hervorzuheben ist weiterhin, dass die Entscheidung keine Aussage dazu trifft, ob beispielsweise Holzspieße (bei Schaschlik- oder Garnelenspießen sowie Bratwurstschnecken etc.) der Nettofüllmenge oder der Verpackung/Tara zuzuordnen sind. Ob die Entscheidung auf solche Produkte übertragbar ist, ist fraglich. Für eine Übertragbarkeit ließe sich bei Spießen etc. lediglich anführen, dass diese nicht verzehrt werden sollen und somit nicht als Lebensmittel anzusehen sind. Gegen eine Übertragbarkeit spricht jedoch unter anderem, dass solche Bestandteile die vom BVerwG maßgeblich angeführte Verpackungsdefinition offenkundig nicht erfüllen, da diese die Lebensmittel weder ganz noch teilweise umschließen, was jedoch für die Annahme einer Verpackung essenziell ist. Vorerst ist daher hiesigen Erachtens davon auszugehen, dass die insoweit existierende Rechtsprechung, dass es sich bei solchen Bestandteilen um Produktbestandteile handelt, die der Nettofüllmenge zuzuordnen sind, weiterhin gilt.
Redaktion: Prof. Dr. Clemens Comans