Veröffentlichung der Beschlüsse der 82. Arbeitstagung des ALTS
Am 28.03.2019 wurden auf der Internetseite des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Beschlüsse des Arbeitskreises der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen (ALTS) der 82. Arbeitstagung aus Dezember 2018 veröffentlicht.
Bei dem ALTS handelt es sich um ein Bund-Länder-Sachverständigengremium, dessen Aufgabe im wissenschaftlichen Erfahrungs- und Meinungsaustausch in Bezug auf spezifische Aufgabenbereiche im Zusammenhang mit der Hygiene, Mikrobiologie sowie weiteren Themen im Zusammenhang mit Erzeugnissen tierischen Ursprungs sowie in der Harmonisierung der Beurteilung von Untersuchungsergebnissen besteht.
Die veröffentlichten Beschlüsse sind hier einsehbar.
Besonders erwähnenswert ist dabei der Beschluss unter TOP 08, der den Titel „Anwendbarkeit des Art. 25 der VO (EU) Nr. 1169/2011 auf vorverpacktes, rohes Fleisch“ trägt. In diesem Zusammenhang hat sich der ALTS mit der Frage auseinandergesetzt, ob in den Fällen, in denen rohes, vorverpacktes Fleisch unter der Angabe eines Verbrauchsdatums in den Verkehr gebracht wird und das die Angabe „ungeöffnet … zu verbrauchen bis …“ trägt, zusätzlich eine Angabe zur angemessenen Aufbewahrung oder Verwendung des Lebensmittels nach Öffnen der Verpackung i. S. v. Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung – LMIV) gefordert werden kann.
Hierzu führt der ALTS aus, dass bei entsprechenden Produkten keine Angaben zu der angemessenen Aufbewahrung oder Verwendung des Lebensmittels nach Öffnen der Verpackung erforderlich ist. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, da ein Hinweis gem. Art. 25 Abs. 2 LMIV nicht stets, sondern lediglich „gegebenenfalls“ erforderlich ist. Von einer Erforderlichkeit ist i. d. R. auszugehen, wenn es sich um neue, unbekannte Lebensmittel handelt, deren Aufbewahrungsbedingungen dem Verbraucher per se nicht bekannt sind, oder aufgrund besonderer Umstände davon auszugehen ist, dass von der allgemeinen Verkehrsauffassung in Hinsicht auf die Aufbewahrung des Lebensmittels abgewichen wird. Es ist daher stets eine Prüfung im konkreten Einzelfall erforderlich um festzustellen, ob es entsprechender ergänzender Hinweise für die Aufbewahrung oder Verwendung des Lebensmittels nach dem Öffnen der Verpackung als Pflichtinformation bedarf.
In Hinsicht auf vorverpacktes Frischfleisch ist festzuhalten, dass dem durchschnittlich interessierten und informierten Verbraucher bewusst ist, dass frisches Fleisch leicht verderblich ist. Darüber hinaus ist dem Verbraucher auch bewusst, dass Fleisch stets zumindest gekühlt, wenn nicht sogar tiefgekühlt, aufzubewahren ist. Ebenso ist ihm geläufig, dass frisches unverpacktes Fleisch am selben Tag bzw. binnen 24 Stunden nach Öffnen der Verpackung aufgebraucht bzw. zubereitet werden sollte.
Dass es in der Praxis hinsichtlich der Frage, ob eine entsprechende Angabe verpflichtend ist oder nicht, immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommt, belegt beispielsweise ein jüngeres Urteil des Landgerichts Mannheim (LG Mannheim, Urteil vom 01.06.2017, Az.: 23 O 73/16). In dem zugrundeliegenden Fall wurde ein Tomatensuppenkonzentrat (296 ml) vertrieben, das im Verbraucherhaushalt mit Wasser oder Milch auf 0,6 Liter verdünnt, zubereitet und verzehrt werden sollte. Im konkreten Fall entschied das Landgericht Mannheim, dass ein Hinweis gem. Art. 25 Abs. 2 LMIV erforderlich sei, da nicht davon auszugehen sei, dass ein einzelner Verbraucher 0,6 Liter Suppe während einer Mahlzeit vollständig verzehre. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es zunehmend mehr Single-Haushalte und auch ältere Menschen gebe, bei denen zu erwarten sei, dass nicht die vollständige Suppe verspeist werde. Es sei daher gut möglich, dass die Suppenreste für eine spätere Mahlzeit aufgehoben würden. Mangels etwaiger Angaben in der Etikettierung wisse der Verbraucher in solchen Fällen nicht, ob die verbleibende Suppenmenge im Kühlschrank aufzubewahren sei. Ebenfalls wisse er nicht, in welcher Zeitspanne die Restmenge der Suppe verzehrt werden müsse. Das Gericht erachtete daher einen Hinweis gem. Art. 25 Abs. 2 LMIV nicht nur als sinnvoll, sondern vielmehr als erforderlich.
Die Entscheidung ist als überaus fragwürdig anzusehen. Insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass ein Durchschnittsverbraucher weiß, dass zubereitete/offene Lebensmittel im Zweifel stets gekühlt aufzubewahren und binnen kürzester Zeit, in der Regel innerhalb von 24 Stunden, zu verbrauchen sind. Dies gehört zum Allgemeinwissen eines durchschnittlich interessierten und informierten Verbrauchers. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass es sich bei Suppen nicht um neuartige Lebensmittel handelt, deren Lagerungsbedingungen Verbrauchern unbekannt sind. Hinzu kommt, dass ein etwaig anzugebender Aufbewahrungszeitraum durch verschiedenste Faktoren beeinflusst wird (Hygiene im Verbraucherhaushalt, Art und Beschaffenheit des Aufbewahrungsgefäßes, ungekühlte Verweildauer im Kochtopf, Abkühlzeit, Temperatur und vieles mehr). Außerdem ist bei Zugrundelegung einer lebensnahen Betrachtung davon auszugehen, dass gerade ältere Generationen im Zweifel bessere Kenntnis über die Aufbewahrung und den Umgang mit Lebensmitteln besitzen, als dies bei jungen Menschen der Fall ist. Im Ergebnis ist die vorgenannte Entscheidung daher als nicht ohne Weiteres verallgemeinerungsfähige Einzelfallentscheidung anzusehen.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Beschlüssen des ALTS um Sachverständigenäußerungen handelt, die keinen formellen Gesetzescharakter besitzen und daher auch keine Rechtsverbindlichkeit für sich beanspruchen können. Die Beschlüsse stellen jedoch neben anderen Quellen praktisch besonders relevante und wichtige Auslegungshilfen für die Anwendung lebensmittelrechtlicher Vorschriften dar.
Redaktion: Dr. Clemens Comans