Am 01.01.2021 soll die neue EU-Öko-Verordnung 2018/848/EU in Kraft treten. Jetzt mehren sich die Anzeichen dafür, dass das Inkrafttreten um ein Jahr auf den 01.01.2022 verschoben wird.

Bereits Anfang April haben sich verschiedene europäische Bio-Verbände in einem Schreiben an den zuständigen Agrarkommissar der Europäischen Kommission gewandt und auf die Notwendigkeit einer Verschiebung hingewiesen. Für eine solche Verschiebung sprechen nach Ansicht der Verbände gewichtige Gründe.

Zum einen enthält die neue EU-Öko-Verordnung diverse Ermächtigungen an die Kommission, delegierte Rechtsakte zu erlassen, in denen sich die vielfach noch fehlenden Detailregelungen zu einzelnen Komplexen erst befinden werden. Zwar liegen zu verschiedenen Themen schon einzelne Verordnungsentwürfe vor. Für eine große Anzahl an Themen fehlen jedoch noch entsprechende delegierte Rechtsakte. Zu nennen sind bspw. die künftig in Bio-Lebensmitteln zugelassenen Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe. Auch Regelungen zu Zusatzstoffen in Futtermitteln fehlen. Weitere Detailregelungen zur Tierhaltung, zum Kontrollverfahren oder zu Importen aus Drittländern werden derzeit zwar diskutiert. Gerade die Detailregelungen in die Tiefe wie bspw. zugelassene Reinigungs- und Desinfektionsmittel haben bei Inkrafttreten der Vorschriften jedoch enorme praktische Bedeutung. Insgesamt kommen die erforderlichen Arbeiten aber auch aufgrund der Corona-Krise nur langsam voran, so dass ohne Verschiebung ein Vorliegen sämtlicher Regelungswerke bis Jahresende unwahrscheinlich erscheint

Zum anderen wird die Situation für die betroffene Wirtschaft dadurch erschwert, dass der Bio-Sektor wie die gesamte Lebensmittelwirtschaft durch die ganze Prozesskette von Landwirtschaft über Produktion bis zum Handel aufgrund der Krise im Zusammenhang mit dem Auftreten des neuartigen Corona-Virus daran arbeitet, die Bevölkerung unter gänzlich veränderten Rahmenbedingungen weiterhin mit Lebensmitteln zu versorgen. Das Studium und die Umsetzung neuer Regelungen tritt dabei naturgemäß in den Hintergrund, was der Bedeutung der Vorschriften zum neuen Biorecht nicht gerecht würde.

Auf die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Verschiebung wird auch von dem Europaparlamentsabgeordneten Martin Häusling, der Berichterstatter des Parlaments für die neue Öko-Verordnung ist, in einem Brief an den EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung hingewiesen. Auch der Agrarausschuss des EU-Parlaments hat sich zwischenzeitlich für eine Verschiebung des Inkrafttretens der neuen Verordnung ausgesprochen.

Die Unterstützung für die von den Bio-Verbänden geforderte Verschiebung wächst also. Und auch die EU-Kommission könnte hieran ein Interesse haben, denn dadurch würde auch ein größerer zeitlicher Spielraum zur Verfügung stehen, um die noch erforderlichen delegierten Rechtsakte zu entwickeln und rechtzeitig vor Inkrafttreten des gesamten neuen Bio-Rechts zu verabschieden.

Deshalb mehren sich die Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission dem Parlament und dem Europäischen Rat den Vorschlag zur Verschiebung der EU-Öko-Verordnung vorlegen wird. Das Verfahren kann jedoch noch einige Monate dauern, bevor die Entscheidung formell angenommen wird.

Sobald sich diesbezüglich weitere Entwicklungen abzeichnen, werden wir Sie selbstverständlich darüber unterrichten.

 

Redaktion: Sascha Schigulski